Mundgod, Karnataka, Indien - Die imposanten Gebäude des neuen Drepung Loseling Meditations & Wissenschaftszentrums, die mit rotem Laterit verkleidet sind, stehen in ihrem eigenen 11 Hektar großen Gelände ausserhalb des Geländes von Drepung Loseling. Als Seine Heiligkeit der Dalai Lama heute Morgen vom Drepung Lachi Kloster dorthin fuhr, war die Straße von Tibetern gesäumt, die ihn beim Vorbeifahren begrüßen wollten.
An der Eingangstür des Zentrums schnitt Seine Heiligkeit das zeremonielle Band durch und rezitierte glückverheißende Verse, indem er eine Handvoll Blumen und Getreide in die Luft warf. Im Inneren zündete er eine Butterlampe an. Anschliessend lancierte Seine Heiligkeit durch die Bedienung einer Taste die neue Webseite des Meditations- und Wissenschaftszentrum des Drepung Loseling Klosters.
Seine Heiligkeit wurde durch die Wissenschaftsausstellung des Zentrums begleitet. Bei jeder Installation, die ein wissenschaftliches Schlüsselprinzip demonstrieren sollte, wie Gravitation, Elektromagnetismus und die Gesetze des Lichts und der Optik, gab es eine klare schriftliche Erklärung auf Tibetisch. Es waren auch Mönche anwesend um zu erklären, was demonstriert wurde.
Vierhundert Mönche und Nonnen, Lehrer, Mitarbeiter und Unterstützer saßen in einem überdachten Raum in Form eines Amphitheaters. Geshe Yeshi Kelsang begrüßte Seine Heiligkeit und andere Würdenträger und Gäste. Gelong Thubten Tsering, Co-Direktor des Wissenschaftsprojekts, stellte das Zentrum in Abwesenheit von Geshe Lobsang Tenzin vor, der anderswo unterrichtete. Er erklärte, dass das Drepung Kloster die klassische Tradition des Studiums der zehn großen und kleinen Wissenschaften des alten Indiens bewahrt.
Seit 2009 wird der Lehrplan des Klosters um die moderne Wissenschaft erweitert. Da ein Verständnis von Mathematik und Englisch Voraussetzung für ein solches Studium ist, wurden Möglichkeiten geschaffen, diese auch zu erlernen. Folglich haben 400 Studenten auf Initiative von Geshe Lobsang Tenzin diese Fächer aufgenommen und nehmen an der Emory Tibet Science Initiative teil, dem einzigartigen Projekt, das von der Emory University, dem Drepung Kloster und der Library of Tibetan Works & Archives in Dharamsala entwickelt wurde.
Der Abt von Drepung Loseling begrüßte Seine Heiligkeit und die anderen Gäste. Er erklärte, dass es weitgehend der Ermutigung Seiner Heiligkeit zu verdanken ist, dass sich tibetische Klöster für das Studium der Wissenschaften interessieren. Seit 2016 ist dies formal in den Lehrplänen der drei großen Klöster Drepung, Sera und Ganden verankert. Er sagte, dass sie, während sie die Bedeutung innerer Werte wie Liebe und Mitgefühl für das menschliche Glück im Hinterkopf behalten, indem sie auch die Welt der modernen Wissenschaften erforschen, hier bei Drepung Loseling versuchen, die Vision Seiner Heiligkeit auf eine kleine Art und Weise zu erfüllen. Er schloss mit Gebeten für das lange Leben Seiner Heiligkeit und die Erfüllung seiner Wünsche.
Seine Heiligkeit begann seine Ausführungen damit, dass er seine tiefe Wertschätzung dafür zum Ausdruck brachte, dass das Kloster Drepung Loseling dieses Meditations- und Wissenschaftszentrum geschaffen hat, ein Ort, an dem die moderne Wissenschaft produktiv mit der Wissenschaft und Philosophie interagieren kann, die ihren Ursprung im alten Indien hat.
„Dies ist keine kurzfristige Initiative, sondern ein langfristiges Projekt. Ich möchte mich bei der Emory University und allen anderen bedanken, die diese wertvolle Arbeit unterstützt haben.“
„Es gibt 7 Milliarden Menschen auf der Welt, und wir alle wollen glücklich sein und Leid vermeiden. Und doch sehen wir Berichte über andauerndes Leiden, Menschen, die sich gegenseitig töten, andere, die an Hunger sterben. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen um zu sehen, wie wir helfen können.“
„Vielerorts gab es große Fortschritte in der Erziehung, aber eine Erziehung, die sich ausschließlich auf die materielle Entwicklung konzentriert und Faktoren wie Liebe und Mitgefühl, die zu innerem Frieden führen, vernachlässigt, ist unzureichend. Heute hören wir sogar, dass die Religion dazu benutzt wird, um ‚uns’ und ‚sie’ zu trennen und als Entschuldigung für andere negative Verhaltensweisen.“
„Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war wenig von Weltfrieden die Rede. Doch nach einer Reihe von Kriegen und der Entwicklung von gewaltigen zerstörerischen Waffen änderte sich bis zum Ende des Jahrhunderts die Einstellung. Die Menschen wurden sich bewusst, dass es keinen Grund gab, weiter sich zu bekriegen. Sie strebten stattdessen den Weltfrieden an. In Europa zum Beispiel haben historische Feinde wie Frankreich und Deutschland entschieden, dass es besser ist, für das Gemeinwohl zu arbeiten, und die Europäische Union ins Leben gerufen.“
„Immer mehr Menschen haben begriffen, dass man mit Gewalt keinen dauerhaften Frieden schaffen kann. Es muss ein neuer Ansatz gefunden werden, der auf der Grundlage eines geistigen Friedens beruht. Daher ist es notwendig, die Faktoren wie Stolz, Wut und Eifersucht zu erkennen, die diesen inneren Frieden stören, und Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen entgegenzuwirken. Wir müssen eine emotionale Hygiene befolgen, die der körperlichen Hygiene entspricht, mit der wir unsere körperliche Gesundheit schützen. Das Schaffen von innerem Frieden beinhaltet nicht den Bau von Tempeln oder Klöstern, sondern die Auseinandersetzung mit dem Geist.“
„Die Ausrichtung der jüdisch-christlichen Traditionen auf den Glauben an einen Schöpfergott hat vielen Menschen einen weit verbreiteten Nutzen gebracht, findet aber wenig Raum für die Beschäftigung mit dem Geist und den Gefühlen. Der Buddha lehrte, dass es an uns liegt, ob wir glücklich sind oder nicht, und ob wir unseren Geist zähmen, indem wir Wut, Anhaftung und Unwissenheit über die Realität überwinden. Nagarjuna machte dies deutlich:
Durch die Beseitigung von Karma und mentalen Leiden gibt es Befreiung;
Karma und mentale Leiden entstehen aus konzeptionellen Gedanken;
Das kommt von einer mentalen Übertreibung;
Übertreibung endet durch Leere.
„Wenn wir denken, dass andere immanent existent sind, entstehen mentale Leiden, auf deren Grundlage wir uns negativ verhalten. In den Traditionen des alten Indiens finden wir die Praktiken der punktuellen Konzentration und der tiefen Einsicht und auf der Grundlage derer, die ich glaube, können wir die Funktionsweise des Geistes auf weltliche Weise diskutieren. Ich hoffe, dass indische Gelehrte an solchen Diskussionen teilnehmen können, aber viele zeitgenössische Inder beschäftigen sich mehr mit Material als mit innerer Entwicklung.“
„Dank der Hingabe von Trisong Detsen, Shantarakshita und Guru Padmasambhava haben wir Tibeter die wunderbare Nalanda-Tradition am Leben erhalten und den Schwerpunkt auf den Einsatz von Vernunft und Logik gelegt.“
Seine Heiligkeit sprach von einem ständig wachsenden Wissen der Wissenschaftler über die Funktionsweise des Gehirns. Nachdem die Wissenschaftler vor allem auf das sensorische Bewusstsein geachtet haben, haben sie in letzter Zeit begonnen, sich mehr für das mentale Bewusstsein zu interessieren. Viele erkennen heute zum Beispiel, dass Meditation die Neuroplastizität beeinflusst. Er zeigte sich daher zufrieden, dass dieses neue Zentrum neben der Wissenschaft auch die Mediation umfasst.
Er warnte davor, dass es notwendig ist zu unterscheiden was die Wissenschaft als nicht existent erwiesen hat und was sie noch nicht als existent erwiesen hat. Nur weil etwas nicht offen sichtbar ist, reicht es nicht aus, seine Existenz zu verleugnen. Gleichzeitig forderte er diejenigen, die dem Buddha folgen, dazu auf, Buddhisten des 21. Jahrhunderts zu werden, und verließ sich dabei nicht auf blinden Glauben, sondern auf ein auf Vernunft basierendes Verständnis.
Seine Heiligkeit erinnerte sich an Mao Zedong, der ihm damals in Peking sagte, dass Seine Heiligkeit eine wissenschaftliche Denkweise hätte. Das Kompliment hätte Mao jedoch zu verderben gewusst, indem er sich darauf berief, dass Religion Gift sei. Er scherzte, dass er gerne daran denkt, wenn Mao noch am Leben wäre, könnte er ihn davon überzeugen, eine Ausnahme für die Nalanda-Tradition zu machen.
Der Geschäftsführer von Loseling bedankte sich bei Seiner Heiligkeit, dem ehemaligen Ganden Tripa, dem jetzigen Amtsinhaber und anderen Würdenträgern für die Teilnahme an der Einweihung. Er erklärte die ausdrückliche Absicht des Zentrums, seine Einrichtungen durch Programme wie die Emory Tibet Science Initiative und die Emory Tibet Science Initiative für Nonnen anderen monastischen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Er schloss mit einem Gebet, dass Seine Heiligkeit bald zum Potala-Palast zurückkehren möge.