Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Der Himmel war heute morgen klar nachdem der anhaltende Regen über Nacht den Boden nass gemacht hatte und frischen Schnee auf die Berge und Hügel hinter Dharamsala brachte.
Eine starke frische Brise wehte, als Seine Heiligkeit der Dalai Lama von Mönchen begleitet wurde, die Hörner spielten und einen zeremoniellen gelben Regenschirm trugen, von seiner Residenz bis zum Tsuglagkhang lief. Der Hof und die Bereiche um den Tempel herum waren voll von Menschen und Seine Heiligkeit grüsste zurück, als er durch den Tempel ging. Im Inneren des Tempels saßen Mönche sowie pensionierte und dienende Beamte der tibetischen Zentralverwaltung.
Seine Heiligkeit setzte sich auf den Thron und der kräftige Gesangsmeister betete das Herzsutra und das lange Gebet zu den Lam Rim-Lamas, einschließlich der Kadampa-Meister, in tief schwingenden Tönen.
"Wir sind an diesem besonderen Tag versammelt, an dem wir feiern, dass Buddha in Shravasti Wunder vollbracht hat, als Reaktion auf eine Herausforderung von sechs rivalisierenden spirituellen Lehrern", erklärte Seine Heiligkeit. "In Tibet etablierte Je Tsongkhapa diese Feier im Rahmen des Großen Gebetsfestes oder Mönlam Chenmo. Nach einiger Zeit mit Unterbruch, wurde das Fest in der Zeit von Gendun Gyatso, dem zweiten Dalai Lama, wiederbelebt.
"Wir konnten diese Anlässe in unseren ersten Jahren im Exil nicht feiern, aber wir haben den Brauch so schnell wie möglich wieder aufgenommen. Ich beschloss, die heutige Lehre im Tempel statt unten im Hof abzuhalten, weil es heute so kalt ist und weil wir uns in den nächsten Tagen hier treffen werden, um die ‚Essenz des Mittelwegs' zu hören."
Das Lesen der Jataka-Geschichten, Erzählungen über das frühere Leben des Buddha, ist Teil des Großen Gebetsfestes. Gestern hatte die Lesung die Geschichte von Maitribala erreicht. Heute begann Seine Heiligkeit, die Geschichte von Vishvantara, dem Prinzen der Sibis, zu lesen, dem Leben, das seiner Geburt als Prinz der Shakyas vorausging. Als versierter Anhänger der Großzügigkeit wird der Prinz wie folgt beschrieben: "Obwohl er ein Jugendlicher war, besaß er die schöne Ruhe des alten Geistes; obwohl er voller Leidenschaft war, neigte seine natürliche Disposition zur Nachsicht; obwohl er gelernt hatte, war er frei von Eitelkeit des Wissens; obwohl er mächtig und berühmt war, war er ohne Stolz."
Seine Heiligkeit bemerkte, dass, obwohl der Buddha vor mehr als 2500 Jahren lebte und lehrte, immer noch Interesse an seinen Lehren besteht. Wie alle anderen religiösen Traditionen fördert der Buddhismus die Praktiken von Liebe und Mitgefühl, Geduld und Toleranz. Unterschiedliche Traditionen vertreten unterschiedliche philosophische Standpunkte, um eine solche Praxis zu unterstützen. Theistische Traditionen sprechen von einem Schöpfergott, der unendliche Liebe verkörpert, Eigenschaften, zu deren Nachahmung die Gläubigen inspiriert sind.
Nicht-theistische Traditionen beachten das Gesetz der Kausalität, dass Hilfe zu geben Glück bringt und Schaden zu tun Unheil bringt. Als soziale Tiere, die von den Gemeinschaften abhängen, in denen sie leben, müssen Menschen Mitgefühl entwickeln. Die Anhänger der Religion, so Seine Heiligkeit, sollten die Traditionen des anderen respektieren und gleichzeitig den Glauben an ihre eigenen bewahren.
"Die buddhistische Lehre empfiehlt uns, uns wie andere Traditionen um andere zu kümmern, aber was anders ist, ist, dass sie Selbstlosigkeit offenbart - dass es kein unabhängiges Selbst gibt. Traditionen, die von einem atman sprechen, einem von den Aggregaten unabhängigen Selbst oder einer Körper/Geist Kombination, erklären, dass das ist, was von Leben zu Leben geht. Der Buddhismus lehnt dies ab und erklärt, dass das, was von einem Leben zum nächsten geht, der subtile Geist ist."
"In seiner ersten Runde der Lehren lehrte der Buddha die Vier Edlen Wahrheiten. In der zweiten Runde, als Teil der Vervollkommnung der Weisheit, erklärte er, dass die Dinge frei von der inneren Existenz sind, weil sie abhängig entstanden sind. Das Selbst hat keine intrinsische Existenz, weil es lediglich auf der Grundlage der Aggregate bezeichnet wird."
"In der dritten Runde, weil es Menschen gab, die die Bedeutung der Vollkommenheit der Weisheit noch nicht akzeptieren konnten und Gefahr liefen, in nihilistische Ansichten zu geraten, lehrte der Buddha das Sutra, das als 'Unravelling of the Thought' bekannt ist. Er erklärte auch die Natur des Buddha. Während er sich in der zweiten Runde der Lehren auf das objektive klare Licht bezogen hatte, erwähnte er in der dritten Runde das subjektive klare Licht, das auch die Grundlage der tantrischen Praxis ist."
Seine Heiligkeit zitierte einen Vers, der den Gedanken des Buddha nach der Erleuchtung ausdrückt. 'Tiefgründig und friedlich, frei von Komplexität, ohne jegliche Einschränkung der Leuchtkraft - ich habe einen nektarartigen Dharma gefunden. Doch wenn ich es lehren würde, würde niemand verstehen, was ich gesagt habe, also werde ich hier im Wald schweigen.' Er stellte klar, dass sich 'tiefgründig und friedlich' auf die erste Runde der Lehren Buddhas bezieht; 'frei von Komplexität' bezieht sich auf den Inhalt der zweiten Runde, während 'ohne jegliche Einschränkung der Leuchtkraft' sich auf die dritte Runde bezieht.
Als er die 'Acht Verse der Geistesschulung' aufnahm, bemerkte Seine Heiligkeit, dass Bodhichitta auf der Grundlage der Vernunft kultiviert wird. Dieser kurze Text enthält Anweisungen nicht nur zur Kultivierung von Bodhichitta, sondern auch zur Entwicklung eines Blicks auf die Realität. Seine Heiligkeit erklärte, dass er zuerst eine Erklärung von Tagdrag Rinpoché und später von Kyabjé Trijang Rinpoché erhielt. Als er die Verse durchlas, kommentierte er, dass, wenn wir den Armen geben, wir dies respektvoll tun sollten; wir sollten bösartige Unruhestifter schätzen und anderen den Sieg geben, indem wir Feinde als wertvolle Lehrer betrachten. Wir sollten die Praxis des 'Gebens und Nehmens' pflegen und alle Dinge als Illusionen betrachten und uns fragen, ob die Dinge wirklich so existieren, wie sie erscheinen.
Seine Heiligkeit nahm Je Tsongkhapas 'Lobpreis an das Abhängige Entstehen' auf und betonte, dass die Wurzel allen Leidens die Unwissenheit sei. Beim Durchlesen der Verse erzählte er die Geschichte, dass Je Rinpoché eine Vision von Manjushri hatte, der ihm Anweisungen gab. Als Je Rinpoché ihm sagte, dass er Schwierigkeiten habe, sie zu verstehen, sagte Manjushri ihm, er solle die klassischen Texte studieren und sich an Praktiken der Reinigung und Anhäufung von Verdiensten beteiligen. Um dies zu tun, empfahl er ihm, in den Retreat zu gehen.
Als nächstes las Seine Heiligkeit seinen Lobpreis für die 17 Meister von Nalanda. Er betonte besonders die Güte von Shantarakshita und Kamalashila, die für die Gründung der Nalanda-Tradition mit ihrer Verbindung von Logik und Philosophie in Tibet verantwortlich waren.
"In der Vergangenheit lebten wir Tibeter in der Isolation", bemerkte Seine Heiligkeit, "aber der Weg ins Exil hat es uns ermöglicht, die Nalanda-Tradition und ihre Grundlage in der Vernunft mit anderen zu teilen. Dies ist eine Inspiration für die Tibeter in Tibet, die sich freuen, dass unsere Traditionen nicht aussterben werden. In der Zwischenzeit lassen wir uns im Exil von dem unerschütterlich entschlossenen Geist dieser Tibeter inspirieren."
"Unser Wissen und unsere Traditionen am Leben zu erhalten, ist eine Quelle des Stolzes, und diejenigen von der CTA, die dazu beigetragen haben, können sich sicher sein, dass sie ihr Leben sinnvoll gestaltet haben. Es wird einen sonnigen Tag für Tibet geben, und die Zeit, in der es kommen wird, ist nicht mehr fern. Es gibt keine Berichte darüber, dass die großen Meister, die die Dreizehn Klassischen Texte, die wir studieren, geschrieben haben, mit tiefen Stimmen gesungen haben - sie haben eine Analyse durchgeführt und darüber geschrieben, was sie verstanden haben. Mönche von den Lernorten in Südindien gehören zu dieser Tradition und sollten sie aufrechterhalten."
Seine Heiligkeit schloss mit dem Rezitieren von Verse aus Nagarjunas ‚Kostbare Girlande'.