Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - In seiner Einleitung erläuterte Telo Tulku Rinpoche, der Ehrenrepräsentant Seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Russland, der Mongolei und den GUS-Ländern, den Hintergrund für die heutigen Unterweisungen Seiner Heiligkeit des Dalai Lama. Er wies darauf hin, dass dies das 13. Jahr in Folge ist, in dem Seine Heiligkeit die russischen Buddhisten unterrichtet, und dass es das zweite Mal ist, dass solche Unterweisungen online stattfinden.
Telo Tulku Rinpoche erwähnte auch, dass russische Buddhisten Seine Heiligkeit vor einigen Jahren baten, ihnen zu empfehlen, welche Werke sie ins Russische übersetzen könnten. Darunter waren auch Bücher von Maitreya, von denen nun drei übersetzt worden sind:
Telo Tulku Rinpoche drückte seine Freude und Dankbarkeit darüber aus, dass Seine Heiligkeit zugestimmt hatte, heute Unterweisungen zu dem Text Der Schmuck der Mahayana-Sutras von Maitreya zu geben.
Es folgte das Sprechen des Herz-Sutra in der tuwinischen Sprache durch eine Versammlung von Mönchen und Laien. Sie wurden von Khamby Lama Natsik Dorjuu geleitet. Er ist das Oberhaupt der tuwinischen Buddhisten aus Khuree Tsechenling, dem wichtigsten buddhistischen Tempel von Tuva. Anschließend sprach Yelo Rinpoche vom Rinpoche-Bagsha-Kloster in Ulan-Ude, Burjatien, das Herz-Sutra in burjatischer Sprache.
Dann begann Seine Heiligkeit mit der Unterweisung: „Der Buddha prophezeite, dass sich seine Lehre von Norden nach Norden ausbreiten würde. Wir verstehen dies so, dass sie sich von Indien nach Tibet und dann von Tibet in die Mongolei und die angrenzenden mongolischen Regionen ausbreitet. Der Ansatz der Nalanda-Tradition besteht darin, den Buddhadharma mit Hilfe von logischer Argumentation zu erklären. Sie stützt sich auf ein gründliches Verständnis der Logik und der Natur des Wissens, wie es in Dharmakirtis Kompendium der Logik und dem Kompendium des Kompendiums der Logik (Pramanavarttika) sowie in Shantarakshitas Kompendium der Prinzipien (Tattvasamgraha) beschrieben ist.
„Als ich jung war, gab es viele mongolische Geshes, besonders im Gomang-Kloster. Einer meiner Debattierpartner, Ngodup Tsoknyi, stammte sogar aus der Mongolei. Auch heute haben sich mongolische Studenten in unseren in Südindien wiedererrichteten Zentren der klösterlichen Studien eingeschrieben.
„In der Vergangenheit wurde der tibetische Buddhismus von einigen als ‚Lamaismus‘ kategorisiert. Heute wird allgemein anerkannt, dass sich der tibetische Buddhismus sich von der authentischen Tradition von Nalanda ableitet, die auf Argumentation, Logik und Analyse beruht. Die Buddhisten in Sri Lanka, Thailand und Burma pflegen eine gute Klosterdisziplin, aber sie studieren weder Logik noch den Mittleren Weg oder die Madhyamaka-Sichtweise. Diese Bereiche sind nur bei den Tibetern und Mongolen erhalten geblieben. Es ist eine Ehre für mich, heute Unterweisungen für russische Buddhisten und mongolische Studierende aus Russland geben zu können.
„Als ich zum ersten Mal die Mongolei besuchen konnte, wurde ich Zeuge eines so bewegten Gesangs beim Mandala-Opfer, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Damals wurde der Buddhismus in der Mongolei von kommunistischen Kräften unterdrückt. Daher schlug ich dem Khambo Lama vor, dass das Studium und nicht das Singen am wichtigsten sei.
„Heute werde ich aus dem Text Der Schmuck der Mahayana-Sutras von Maitreya lesen. Von den fünf Abhandlungen Maitreyas sind Der Schmuck der Mahayana-Sutras und Der Schmuck der klaren Erkenntnis die bedeutendsten Texte. Ich lernte den Text Der Schmuck der klaren Erkenntnis als Kind auswendig und rezitierte das Gelernte vor meinem Lehrer Ling Rinpoche. Damals verstand ich es nicht, aber zu gegebener Zeit, als ich diesen Text und auch Chandrakirtis Eintritt in den mittleren Weg verstand, entdeckte ich, was für wunderbare Bücher sie sind. Der Schmuck der klaren Erkenntnis legt die Stufen des Pfades dar, während der Eintritt in den mittleren Weg die Leerheit so darstellt, wie sie in den Sutras gelehrt wurde.“
Seine Heiligkeit wies darauf hin, dass das Ansehen des tibetischen Buddhismus in der heutigen Zeit gestiegen ist, da Wissenschaftler das tiefe Verständnis des Geistes und der Emotionen, das er vermittelt, zu schätzen gelernt haben. Die Gelehrten erkennen, dass es in der Tradition nicht in erster Linie um den Glauben geht, sondern um Argumentation und sorgfältige Studien. Seine Heiligkeit empfiehlt den Buddhisten in Russland, diesen Ansatz, der auf Logik und einem Verständnis der Natur des Wissens beruht, zu bewahren.
„Jetzt ist eine Zeit, in der wir uns bemühen müssen, unsere Traditionen lebendig zu halten. Ich möchte euch bitten, intensiv daran zu arbeiten, unsere Tradition zu studieren und zu bewahren.
„Obwohl ich nicht die Zeit habe, diesen Text vollständig zu lesen, werde ich heute damit beginnen. Ich habe eine Übertragung von Gyen Rigzin Tempa, einem Lama aus Kinnaur, erhalten. Wir haben eine Tradition, die von einem der tibetischen Kaiser verordnet wurde, zuerst den Titel des Textes in der indischen Sprache zu zitieren, dann den Titel auf Tibetisch, gefolgt von einer Huldigung an die Buddhas und Bodhisattvas.“
Seine Heiligkeit las die Verse des ersten Kapitels des Texts Der Schmuck der Mahayana-Sutras. Dann machte er eine Pause, um Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Er wurde gefragt, was Mönche und Laien tun können, um die Entwicklung der buddhistischen Gemeinschaft in der heutigen Zeit zu unterstützen. Er antwortete, dass in der Vergangenheit selbst in abgelegenen Regionen Tibets die Menschen in klösterliche Einrichtungen eintraten, um studieren zu können. Da sie der Gemeinschaft am besten dienen können, indem sie ihr Wissen weitergeben, ist es für die Mönche gut, die Funktionsweise des Geistes und der Emotionen sowie die Logik und die Natur des Wissens zu studieren.
Seine Heiligkeit beantwortete eine Frage über Karma mit der Feststellung, dass es im Allgemeinen keine Konsequenzen hat, wenn kein Karma geschaffen wird. Wenn es jedoch einmal entstanden ist, erzeugt Karma Auswirkungen und breitet sich aus. Er verwies auf seine Praxis des Erleuchtungsgeistes als Beispiel. In den ersten Tagen bewunderte er diese Praxis einfach. Weil er dann an der Praxis gearbeitet hat, indem er jeden Tag nach dem Aufwachen mit Hilfe von Versen darüber nachdachte, hat sich seine Praxis immer weiter intensiviert. Zusammen mit diesem tieferen Streben, das entstanden ist, hat er einen großen inneren Frieden erlangt. Er erklärte, dass man die Leerheit umso besser versteht, je mehr man sie studiert und untersucht, und je besser man sie versteht, desto näher kommt man dem Erreichen der Beendigung des Leidens.
Auf die Bitte, die allumfassende Geistesübung des Erleuchtungsgeistes (Sarva Yoga Bodhicitta) zu erläutern, wies Seine Heiligkeit zunächst darauf hin, dass es sich um ein Mittel handelt, um den weitreichenden und den tiefgründigen Pfad zusammenzubringen. Er zitierte die Verse, die das sechste Kapitel von Chandrakirtis Eintritt in den mittleren Weg abschließen, die sich auch darauf beziehen und die ihm große Zuversicht geben:
Von den Strahlen des Verständnisses erhellt, erkennt der Bodhisattva
so deutlich wie eine Amalaki-Beere auf seiner offenen Handfläche,
dass die drei weltlichen Bereiche seit jeher in keiner Weise [inhärent] entstanden sind, und
schreitet somit Kraft der konventionellen Wahrheit zur Beendigung [des Leidens].
(6.224)
Obwohl sein Geist stets in der Beendigung [des Leidens] ruht,
erzeugt er doch Mitgefühl für die schutzlosen wandernden Wesen.
Oberhalb [der sechsten Ebene] wird er dann durch seine Weisheit auch all jene übertreffen, die durch die Lehren Buddhas entstanden sind, sowie die Mittleren Buddhas.
(6.225)
Und wie ein König der Schwäne, der den Schwanenwesen voraus fliegt, breitet er
die weißen Flügel des Konventionellen und der Soheit weit aus, und angetrieben
von den kraftvollen Winden der heilsamen Handlungen, wird er sich zum ausgezeichneten fernen Ufer begeben, den ozeanischen Qualitäten der siegreichen Buddhas.
(6.226)
Seine Heiligkeit merkte an, dass wir dazu neigen, von engstirnigen, kurzsichtigen, selbstsüchtigen Ansichten eingenommen zu werden, aber als intelligente menschliche Wesen können wir auch den konventionellen und den letztendlich Erleuchtungsgeist entwickeln, die als die Flügel der Bodhisattvas symbolisiert werden, die sie zum ausgezeichneten, fernen Ufer tragen.
Er stellte klar, dass es nicht notwendig ist, ein Mantra in Verbindung mit der allumfassenden Geistesübung des Erleuchtungsgeistes zu wiederholen und dass die Visualisierung der Auflösung der Elemente eher mit der Praxis des Tantra verbunden ist. Der Schlüssel zur Praxis liegt darin, den Erleuchtungsgeist, das Streben nach Erleuchtung, zu entwickeln und dies als eine Mondscheibe im Herzen zu visualisieren. Wir können dies tun, indem wir zum Beispiel über Verse von Shantideva aus seinem Text Verhaltensweisen der Bodhisattvas nachdenken:
Was immer es an Glück gibt in der Welt,
all das ist aus dem Wunsch nach dem Glück der anderen entstanden.
Was immer es an Leiden gibt in der Welt,
das alles ist aus dem Verlangen nach dem eigenen Glück entstanden.
(8.129)
Wozu viele Erklärungen?
Betrachte doch den Unterschied zwischen den Toren,
die den eigenen Nutzen verfolgen,
und den Buddhas, die zum Wohl der anderen wirken.
(8.130)
Wenn man das eigene Glück nicht
gegen das Leiden der anderen tauscht,
ist die Buddhaschaft nicht zu verwirklichen,
und selbst im Daseinskreislauf gibt es kein Glück.
(8.131)
Welcher Vernünftige könnte sich entmutigen lassen,
da er auf dem Pferd der Erleuchtung reitet,
das allen Kummer und alle Ermattung vertreibt,
von Glücksmoment zu Glücksmoment eilt?
(7.30)
Seine Heiligkeit fügte hinzu, dass wir alle glücklich sein wollen, aber aufgrund unserer egoistischen Einstellung stehen wir vor Problemen. Deshalb ist es gut, sich zu wünschen, dass alle fühlenden Wesen Glück und die Ursachen für Glücks finden.
Wenn wir dann fragen, wo die Person, das Selbst oder das „Ich“ ist, das sich das Wohl der fühlenden Wesen wünscht, stellen wir fest, dass es nicht das Gehirn und nicht das Herz ist. Die Person existiert nur als Benennung. Heutzutage stellen sogar Quantenphysiker fest, dass die Dinge scheinbar ihre eigene objektive Existenz haben und doch nicht so existieren, wie sie erscheinen. Wenn wir nach dem „Ich“ suchen, können wir es nicht finden. Das „Ich“ existiert nicht unabhängig.
Seine Heiligkeit betonte: „Ihr könnt den Dalai Lama vor euch sehen, ihr könnt meine Stimme hören. Aber wenn ihr versucht, mich zu finden, gibt es nichts zu finden. Genauso erscheint ihr mir, aber ihr existiert nur als Benennung. Wenn ihr auf diese Weise nachdenkt, beginnt ihr, die Leere des „Ich“ zu verstehen. Stellt euch vor, dass diese Weisheit, die die Leerheit erkennt, zu einem weißen Vajra wird, das auf der Mondscheibe in euren Herzen steht. Ich entwickele auf diese Weise regelmäßig den konventionellen und den letztendlichen Erleuchtungsgeist und es ist für mich sehr nützlich.“
Eine Frage über die Neutralität des Geistes zum Zeitpunkt des Todes veranlasste Seine Heiligkeit, die Auflösung der 80 verschiedenen begrifflichen Wahrnehmungen zu erläutern: 33 während der Vision der Weißen Erscheinung, 40 während der Roten Vermehrung und schließlich sieben während des Schwarzen Nah-Erlangens. Wenn sich diese aufgelöst haben, dann manifestiert sich der Geist des klaren Lichts. Dies beinhaltet die Kombination eines Verständnisses der Leerheit, die in der zweiten Drehung des Dharma-Rades gelehrt wird, und das objektive klare Licht genannt wird, und dem klaren Lichtbewusstsein, das in der dritten Drehung des Rades gelehrt wird.
In Bezug auf die Vier Anwendungen der Achtsamkeit stellte Seine Heiligkeit klar, dass man sich nicht auf die Sinnesobjekte konzentriert und die Achtsamkeit auf Körper, Gefühl, Geist und Phänomene entwickelt. Dies kann durch die vier Anwendungen der Achtsamkeit erreicht werden. Die Praxis ist in der Pali- und in der Sanskrit-Tradition ähnlich.
Wenn es darum geht, Wunschgebete zu sprechen, erklärte Seine Heiligkeit, dass sie erst dann wirksam werden, wenn man über ihre Bedeutung nachdenkt. Er erinnerte an einen Papagei, der im Norbulingka-Palast in Tibet lebte und dem man beigebracht hatte, „Om mani padme hum“ zu sagen, ohne zu verstehen, was das überhaupt bedeutet.
Natasha Inozemtseva kündigte an, dass es heute keine weiteren Fragen mehr gäbe, aber dass sich alle Zuhörer auf die nächste Sitzung morgen freuten.
Seine Heiligkeit bedankte sich bei seinen vielen Dharmafreunden in den Dharmazentren der verschiedenen mongolischen Gebiete. Er bat darum, dass das heute Gehörte so gut wie möglich angewendet und über die allumfassende Geistesübung des Erleuchtungsgeistes (Sarva Yoga Bodhicitta) nachgedacht wird.