Zu diesem glückverheißenden Tag, an dem wir der Geburt Buddhas, seiner Erleuchtung und seinem Eintritt ins Mahaparinirvana gedenken, grüße ich alle buddhistischen Weggefährten auf der ganzen Welt.
Buddha Shakyamuni wurde als Prinz des Shakya-Clans im alten Indien vor etwa 2600 Jahren geboren. Die Pali- und Sanskrit-Traditionen erklären, dass Buddha die Erleuchtung in der Morgendämmerung des Vollmondtages erlangte, den wir Buddha Purnima nennen. Beide Traditionen stimmen darin überein, dass Buddha nicht von Anfang an erleuchtet war, sondern die Erleuchtung erlangte, indem er die richtigen Bedingungen schuf und sich bemühte, Verdienst und Weisheit anzusammeln. Nach der Sanskrit-Tradition musste er dies über viele Äonen hinweg tun, was zur Folge hatte, dass er die vier Körper Buddhas manifestierte: den Natürlichen Dharmakaya (Natürlicher Wahrheitskörper), den Weisheits-Dharmakaya (Weisheits-Wahrheitskörper), den Sambhogakaya (Freudenkörper) und den Nirmanakaya (Erscheinungskörper).
Die vollständige Versenkung Buddhas in die Meditation über die Leerheit ist der Weisheits-Wahrheitskörper, aus dem heraus er sich in verschiedenen Formen manifestiert. Der Sambhogakaya erscheint den Arya-Bodhisattvas, während der Nirmanakaya für alle sichtbar ist. Buddha Shakyamuni war ein Höchster Nirmanakaya, eine Quelle von kontinuierlichen Aktivitäten zum Wohle der fühlenden Wesen.
Die Lehre Buddhas ist im Wesentlichen von praktischer Art. Sie ist nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen oder ein bestimmtes Land gedacht, sondern für alle fühlenden Wesen. Die Menschen können diesem Pfad entsprechend ihrer Fähigkeit und Neigung folgen. Ich zum Beispiel habe meine buddhistische Ausbildung als Kind begonnen, und obwohl ich jetzt fast 86 Jahre alt bin, lerne ich immer noch. Wann immer ich kann, bestärke ich deshalb Buddhisten, die ich treffe, darin, Buddhisten des 21. Jahrhunderts zu sein, zu entdecken, was die Lehre wirklich bedeutet und sie in die Tat umzusetzen. Das bedeutet, zuzuhören und zu lesen, über das Gehörte und Gelesene nachzudenken und es sich zu verinnerlichen.
Obwohl sich unsere Welt seit der Zeit Buddhas wesentlich verändert hat, ist die Essenz seiner Lehre heute noch genauso relevant wie vor 2600 Jahren. Sowohl in der Pali-Tradition als auch in der Sanskrit-Tradition gibt es Methoden, um die Befreiung von Unwissenheit und Leiden zu erlangen. Einfach ausgedrückt lautete der Rat Buddhas, anderen nicht zu schaden und ihnen zu helfen – wann immer wir können und auf jede erdenkliche Weise.
Wir können damit beginnen, indem wir uns bewusst machen, dass alle anderen Wesen im Hinblick darauf, dass sie sich wünschen glücklich zu sein und nicht zu leiden, genauso sind wie wir. Das Streben nach Glück und Freiheit von Leiden ist das natürliche Bedürfnis aller Wesen. Das persönliche Glück hängt jedoch sehr stark davon ab, wie wir uns zu anderen verhalten. Indem wir ein Gefühl des Respekts für andere und eine Anteilnahme für ihr Wohlergehen entwickeln, können wir unsere eigene Selbstbezogenheit reduzieren, die die Ursache von vielen unserer eigenen Probleme ist. Und wir können unsere Gefühle der Zuneigung stärken, die eine natürliche Quelle des Glücks sind.
An diesem verheißungsvollen Tag werden Buddhisten an heiligen Orten wie Bodhgaya, Lumbini und Kandy sowie in anderen buddhistischen Ländern spirituelle Andachten abhalten. Lasst uns gemeinsam alles tun, was wir können, um die globalen Bedrohungen zu überwinden, mit denen wir konfrontiert sind, einschließlich der Covid-19-Pandemie, die so viel Schmerz und Not über die Welt gebracht hat.
Mit meinen Gebeten und guten Wünschen
Dalai Lama
26. Mai 2021