Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Heute Morgen wurde eine virtuelle internationale Konferenz über die Tisikkha (Pali) bzw. Trishiksha (Sanskrit), die drei Schulungen in den Pali- und Sanskrit-Traditionen des Buddhismus, eröffnet. Seine Heiligkeit der Dalai Lama war eingeladen, die Eröffnungsrede von seiner Residenz in Dharamsala aus zu halten.
Frau Ng Wee Nee, die Präsidentin des Tibetisch-Buddhistisches Zentrums in Singapur, eröffnete die Sitzung. Sie begrüßte die Gäste und Teilnehmer und erklärte, dass die Veranstaltung vom Tibetisch-Buddhistischen Zentrum Singapur unter der Leitung und Beratung von Herrn Tempa Tsering, Prof. Geshe Ngawang Samten und Geshe Dorji Damdul in die Wege geleitet und mit Unterstützung von 12 anderen buddhistischen Organisationen organisiert wurde: Oxford Buddha Vihara in Singapur, Theravada-Buddhistischer Rat von Malaysia, Vajrayana-Buddhistischer Rat von Malaysia, Stiftung des Buddhadasa Indapanno Archivs, Internationales Netzwerk Engagierter Buddhisten, Sri Lankanische Gesellschaft der Tibetisch-Buddhistischen Bruderschaft, Buddhistische Gesellschaft Westaustraliens, Buddhistische Union von Kalmückien in Russland, Abteilung für Buddhistische Studien am Dharma-Trommel-Institut für Geisteswissenschaften in Taiwan, Abteilung für Religion und Kultur an der Hsuan Chuang Universität in Taiwan, Kertarajasa Buddhistisches College in Indonesien und Labsum Shedrup Ling in Korea.
Frau Ng Wee Nee erwähnte, dass es gegenwärtig mindestens 500 Millionen Buddhistinnen und Buddhisten auf der Welt gibt. Die grundlegende buddhistische Philosophie ist das Abhängige Entstehen, und ihre Praxis ist die Gewaltlosigkeit und das Mitgefühl. Frau Wee Nee wies darauf hin, dass es über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Treffen der Pali- und Sanskrit-Traditionen für gemeinsame Diskussionen gegeben hat. Das Internet hat nun die Möglichkeit für einen leichteren Zugang zu einer virtuelle Zusammenkunft der buddhistischen Gemeinschaften geschaffen. Während der Konferenz, die sich über zwei Tage erstreckt, werden 38 Redner aus 14 Ländern über die Rolle der drei Schulungen in den Pali- und Sanskrit-Traditionen sprechen.
Die Organisatoren hoffen, dass Dialoge dieser Art dazu beitragen werden, ein tieferes inter-buddhistisches Verständnis und eine größere Harmonie zwischen den Mitgliedern verschiedener Religionen und Glaubensrichtungen zu fördern und damit die Bemühungen fortzusetzen, die Seine Heiligkeit der Dalai Lama und andere große buddhistische Führungspersönlichkeiten in den letzten Jahrzehnten unternommen haben.
In seiner Funktion als Moderator der Diskussionen stellte der Ehrwürdige Mahayano aus Thailand den ersten Redner vor, den Äußerst Ehrwürdigen Bhikshu Jing Yao, Präsident der Buddhistischen Vereinigung der Republik China (Taiwan) und Präsident der taiwanesischen Konferenz für Religion und Frieden. Vorsitzender des Verbandes der Buddhisten in der Republik China (Taiwan). Der Äußerst Ehrwürdige Bhikshu Jing Yao sprach auf Chinesisch. Er führte an, dass der Zweck der drei Schulungen sowohl in der Pali- als auch in der Sanskrit-Tradition darin besteht, den Wesen zu helfen, jegliches Leiden zu überwinden und endgültigen Frieden und Glück zu erlangen. Buddha lehrte den Edlen Achtfachen Pfad, damit die fühlenden Wesen keine leidvollen Emotionen mehr entwickeln und dem Tod friedlich entgegensehen können.
Der Ehrwürdige Bhikshu Jing Yao fuhr fort, dass der Anwendungsbereich des Edlen Achtfachen Pfades sehr groß ist, er das perfekte Gegenmittel zum Daseinskreislauf ist und er in die drei Schulungen zusammengefasst werden kann. Wir können die Realität der Vier Edlen Wahrheiten nicht erkennen, ohne den Edlen Achtfachen Pfad zu praktizieren. Und da der Edle Achtfache Pfad Teil der Vier Edlen Wahrheiten ist, ist er mit den Zwölf Gliedern des abhängigen Entstehens verbunden und untrennbar von ihnen. Die Zwölf Glieder des abhängigen Entstehens stellen die Realität des Leidens dar, die Vier Edlen Wahrheiten verkörpern die Grundsätze zur Beseitigung dieses Leidens, und die Praxis des Edlen Achtfachen Pfades befähigt uns, die Ursachen dieses Leidens vollständig zu entfernen.
Aufgrund der drei Geistesgifte Gier, Hass und Unwissenheit sind wir im Daseinskreislauf gefangen. Und so umfassen die drei Schulungen ethisches Verhalten (sila), um die Gier zu befrieden, Meditation (samadhi), um den Hass zu befrieden, und Weisheit (prajna), um die Unwissenheit zu befrieden. Wenn wir die drei Schulungen praktizieren, können wir Begierde, Hass und Unwissenheit bereinigen. Wir werden verstehen, was angenommen und was aufgegeben werden soll. Auf diese Weise werden wir zu friedlicheren Menschen werden. Der Ehrwürdige Bhikshu Jing Yao schloss mit den Worten: „Lasst uns alle gemeinsam die drei Schulungen zum Wohle aller mütterlichen fühlenden Wesen praktizieren. Mögen alle friedlich und glücklich sein.“
Der Ehrwürdige Mahayano bat als nächstes den Äußerst Ehrwürdigen Dr. Dammapiya, Generalsekretär der Internationalen Buddhistischen Vereinigung aus Indien, seine einleitenden Worte zu sprechen. Er begann mit der Rezitation der Zufluchtsformel „Buddham saranam gacchami, Dhammam saranam gacchami, Sangham saranam gacchami“ und fuhr dann auf Englisch fort. Er merke an, dass Tisikkha und Trishiksha scheinbar unterschiedliche Begriffe sind, sich aber auf dieselbe Lehre Buddhas beziehen. Er sagte auch, dass, obgleich die buddhistischen Traditionen viele Zweige haben, sie eine gemeinsame Wurzel haben und er drückte seine Dankbarkeit für diese Gelegenheit aus, dass Vertreter verschiedener buddhistischer Traditionen zu einer Diskussion zusammenkommen.
Die bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, dass das Vinaya, der von allen buddhistischen Traditionen hochgehalten wird, im Wesentlichen für alle Traditionen gleich ist. Nun besteht die Möglichkeit, die drei Schulungen zu untersuchen. Er wies darauf hin, dass Buddha seine spirituelle Reise auf der Suche nach der Wahrheit und der Befreiung durch achtsame und objektive Beobachtung begann. Er sah einen kranken, einen alten und einen toten Mann und erkannte die Dinge, wie sie sind. Es war kein blinder Glaube im Spiel, sondern objektive Beobachtung.
Das Verständnis wird durch Vipassana vertieft und ermöglicht das Erkennen von Unzufriedenheit, Vergänglichkeit und Selbstlosigkeit. Dr. Dammapiya merkte an, dass es heutzutage ein wachsendes Verlangen nach mehr gibt, aber die drei Schulungen können einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben, indem sie den mittleren Weg des Maßhaltens repräsentieren. Er erläuterte, ein mitfühlendes Herz, ein klarer, gereinigter Geist und eine richtige Sicht der Welt führen zu einem ausgeglichenen Geist, der Gewalt und Extreme vermeidet und ein friedliches, harmonisches Zusammenleben in der Welt fördert.
Technische Schwierigkeiten verhinderten, dass der dritte Redner, der Äußert Ehrwürdige Makulewe Wimala Mahanayake Thero, zur vorgesehenen Zeit in das Gespräch einsteigen konnte, so dass der Ehrwürdige Mahayano Seine Heiligkeit den Dalai Lama einlud, seine Eröffnungsrede zu halten. Nachdem er einen kurzen Ehrerbietungsvers rezitiert hatte, begann Seine Heiligkeit:
„Zu diesem Anlass sind Menschen aus verschiedenen buddhistischen Gemeinschaften zusammengekommen. Eingeladen sind Vertreter des Vinaya, zu denen auch ich gehöre. Ich hoffe, unser Austausch wird von Offenheit geprägt sein.
„Die Lehre Buddha Shakyamunis hat sich über 2500 Jahre lang entwickelt und ist damit eine der bedeutenden religiösen Traditionen der Welt. In letzter Zeit hat sie auch das wissenschaftliche Interesse auf sich gezogen. Obwohl wir die Begriffe Hinayana und Mahayana haben, ziehe ich es vor, von der Pali-Tradition und der Sanskrit-Tradition zu sprechen. Vinaya, die klösterliche Disziplin, und die drei Schulungen in Ethik, Konzentration und Weisheit – die Essenz der Lehre Buddhas – werden in beiden hochgehalten. Buddha war ein Mönch und die Praxis des Vinaya ist die Grundlage sowohl der Pali- als auch der Sanskrit-Tradition.
„Als Mensch sehe ich es als eine meiner Hauptaufgaben an, das Bewusstsein für Liebe und Mitgefühl in der Welt zu steigern, unabhängig davon, ob andere Menschen an Wiedergeburt oder an das Gesetz von Karma glauben oder nicht. Dies ist meine erste Verpflichtung. Als religiös Praktizierender weiß ich zu schätzen, dass alle religiösen Traditionen von der Notwendigkeit sprechen, Mitgefühl zu entwickeln. Wir mögen unterschiedliche philosophische Positionen einnehmen, aber wir alle haben eine gemeinsame Wertschätzung des Mitgefühls.
„Eine Kategorie religiöser Traditionen ist theistisch und betont die Rolle Gottes, nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Verkörperung des Mitgefühls – der anzustrebenden Qualität. Der Buddhismus ist eine nicht-theistische Tradition. Seine Grundlage, die vor allem in der Pali-Tradition bewahrt wird, ist die Aufrechterhaltung der klösterlichen Disziplin (Vinaya), in deren Mittelpunkt die Einhaltung der Gelübde zur individuellen Befreiung steht. In Tibet folgen wir der Mulasarvastivadin-Übertragungslinie, in China haben sie die Dharmagupta-Tradition und Anhänger der Pali-Tradition halten die Theravada-Tradition aufrecht.
„Die Gelehrten der Nalanda-Universität arbeiteten in Sanskrit. Als König Trisong Detsen den Gelehrten Shantarakshita nach Tibet einlud, empfahl er den Tibetern, buddhistische Literatur ins Tibetische zu übersetzen. Die daraus resultierende Sammlung umfasste 100 Bände mit den Worten Buddhas (Kangyur) und mehr als 200 Bände mit erläuternden Abhandlungen von nachfolgenden Gelehrten (Tengyur).
„Die Tradition, die Shantarakshita in Tibet einführte, war eine umfassende Darstellung der Lehren Buddhas. Sie stützte sich auf die Übung von Argumenten und Logik und forderte zur Analyse dessen auf, was in den Schriften geschrieben stand. Nagarjunas Arbeit basierte auf Logik und Argumenten. Dignaga und Dharmakirti konzentrierten sich auf Logik und Erkenntnislehre, wie das Werk Pramanavarttika (Dharmakirtis Kompendium zu Dignagas Kompendium der Logik, dem Pramanasamuccaya, was auch als Kompendium der gültigen Erkenntnis bezeichnet wird) zeigt.
„Buddha riet seinen Anhängern:
Ihr Mönche und Weisen,
wie Gold erhitzt, geschnitten und gerieben wird,
so müsst ihr meine Worte gründlich prüfen,
ehe ihr sie annehmt – nehmt sie nicht nur aus Verehrung an.
„Ich empfehle den Anhängern der Pali-Tradition, diese logische Herangehensweise zu übernehmen und die Lehren der Vollkommenheit der Weisheit zusammen mit den 21 erhaltenen indischen Kommentaren zu ihnen zu untersuchen. Diese wurden von Lama Tsongkhapa in seiner Abhandlung Der Goldene Kranz weiter ausgeführt.
„Lama Tsongkhapa betonte das Studium der Erkenntnislehre, der Vollkommenheit der Weisheit und des Madhyamaka-Lehrsystems. Er schrieb nicht viel über Vinaya oder Abhidharma – Höheres Wissen. Die Praxis des Vinaya hängt von der Autorität der Schriften ab. Vasubandhus Darstellung der Kosmologie und der Größe, Position und des Abstands zwischen Erde, Sonne und Mond zum Beispiel sind nicht wörtlich zu nehmen, im Gegensatz zu Chandrakirtis Darstellung der letztendlichen Wirklichkeit.
„Das auf Vernunft basierende Studium, das sich nicht nur auf die Autorität der Schriften stützt, hat uns in die Lage versetzt, mit Wissenschaftlern nutzbringend zu interagieren. In der Tat zieht der Buddhismus jetzt Interesse und Aufmerksamkeit aus wissenschaftlichen Richtungen auf sich, was früher nicht der Fall war.
„Als Buddhistinnen und Buddhisten müssen wir gute Beziehungen untereinander kultivieren. Wir müssen auch die drei Schulungen aufrechterhalten. Aber ich glaube, dass heutzutage Ethik, Konzentration und Weisheit auch für diejenigen nützlich sein können, die keiner religiösen Tradition folgen.“
Der Moderator dankte Seiner Heiligkeit für seine Rede und gab mit großer Freude bekannt, dass die technischen Schwierigkeiten überwunden wurden, und stellte den Äußerst Ehrwürdigen Makulewe Wimala Mahanayake Thero vor. Er ist das Oberhaupt von Sri Lanka Ramana Mahanikaya und hat großen Einfluss auf die buddhistische religiöse Bildung und den sozialen Bereich auf nationaler und internationaler Ebene.
Er begann seine Ansprache mit der Ankündigung, dass es als buddhistischer Mönch seine Pflicht ist, jedem zu helfen, ein gutes Leben zu führen. Um dies zu tun, spielen die Trishiksha, d.h. Ethik, Konzentration und Weisheit, eine sehr bedeutende Rolle. Ethik bedeutet hier, den Körper und die Sprache zu zähmen. Konzentration bedeutet, den Geist zu fokussieren. Weisheit bedeutet, die wahre Natur der Welt zu erkennen. Folglich wird der Geist, der aus der Weisheit geboren ist, die Erleuchtung verwirklichen. Er hat beobachtet, dass ethisches Verhalten zur Konzentration führt und starke Konzentration zur Läuterung der Weisheit der Einsichtsmeditation führt.
Zur Ethik gehören die vom Buddha verkündeten Regeln, die Disziplinierung oder Zähmung der Sinne, die Vermeidung einer falschen Lebensweise und die Annahme einer rechten Lebensweise sowie das Annehmen von Unterweisungen über die Verwendung von Bedarfsartikeln. Konzentration bedeutet, den Geist sorgfältig davor zu bewahren, zerstreut zu werden. Weisheit impliziert das richtige Erkennen von Unbeständigkeit, der Natur des Leidens und das Nichtselbst der Rituale.
Der Edle Achtfache Pfad umfasst die drei Sammlungen von ethischem Verhalten (sila), Konzentration (samadhi) und Weisheit (panna). Die Vollkommenheit des Edlen Achtfachen Pfades – die Kultivierung von ethischen Handlungen, Konzentration und Weisheit – ist der Pfad der Erleuchtung, von dem der Erhabene Buddha sprach.
Der Moderator dankte dem Äußerst Ehrwürdigen aus Sri Lanka und erklärte, dass, obwohl diese virtuelle Versammlung viele Sprachen und Traditionen vereint, die Fragen an Seine Heiligkeit in Englisch formuliert werden würden.
Der erste Fragesteller fragte nach den Beziehungen zwischen der Pali- und der Sanskrit-Tradition. Seine Heiligkeit antwortete, dass sie die Regeln der individuellen Befreiung gemeinsam haben. Bei Treffen wie diesem, beim Meinungsaustausch zwischen Gelehrten und Praktizierenden, ist es möglich zu erkennen, wie viel wir gemeinsam haben. Selbst in der Sanskrit-Tradition gibt es vier große unterschiedliche philosophische Schulen und doch ist für alle das Vinaya die Grundlage.
Ein Fragesteller aus Singapur wollte wissen, ob Aspekte der drei Schulungen sinnvoll in die säkulare Bildung integriert werden könnten. Seine Heiligkeit stimmte zu, dass dies sicherlich möglich wäre, da die Essenz der Lehre darin besteht, anderen nicht zu schaden, sondern sie zu respektieren und ihnen zu helfen.
Zum Schluss kam aus Malaysia die schlichte Frage: „Wie wird man ein guter Buddhist?“ Die Antwort Seiner Heiligkeit war, dass es nicht ausreiche, einfach diese Worte zu wiederholen:
Buddham saranam gacchami – ich nehme Zuflucht zum Buddha,
Dhammam saranam gacchami – ich nehme Zuflucht zum Dharma,
Sangham saranam gacchami – ich nehme Zuflucht zum Sangha
Man muss verstehen, was Buddha ist, was Dharma ist und was Sangha ist – dieses Verständnis ist es, was jemandem zu einer Buddhistin oder einem Buddhisten macht. Und um ein solches Verständnis zu entwickeln, muss man das Dharma studieren.
Seine Heiligkeit fügte hinzu: „Als Schüler von Buddha habe ich zu einem gewissen Umfang studiert. Ich schätze diese Art von Treffen sehr und ich hoffe, dass es etwas ist, das jährlich stattfinden kann. Ich hoffe, dass weitere ernsthafte Diskussionen stattfinden werden. Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen.“
Der Moderator, der Ehrwürdige Mahayano, dankte Seiner Heiligkeit für seine Eröffnungsrede zur Konferenz. Frau Ng Wee Nee dankte allen Rednern und Teilnehmern für ihren Beitrag. Seine Heiligkeit rezitierte Widmungsgebete und kündigte, dem virtuellen Publikum zuwinkend, an: „Wir sehen uns wieder!“