Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Sobald Seine Heiligkeit der Dalai Lama heute Morgen erschien, begannen die Mönche in der Mongolei das Herz-Sutra zu rezitieren. Anschließend erfolgte eine Mandala-Opfergabe, die vor einem Porträt Seiner Heiligkeit auf dem Thron im Kloster Gandantegchenling dargebracht wurde.
In seinen einleitenden Worten erwies der Khamba Lama Seiner Heiligkeit die Ehre und überbrachte ihm Grüße im Namen des Klosters und aller Mönche und Nonnen der Mongolei. Er merkte an, dass die Tradition von Lama Tsongkhapa in der Mongolei seit der Zeit von Sonam Gyatso, dem Dritten Dalai Lama, blüht. Der Khamba Lama wies auch darauf hin, dass Seine Heiligkeit seit seinem ersten Besuch im Jahr 1979 die Wiederbelebung des Dharma in der Mongolei gefördert hat. Die älteren überlebenden Mönche waren von seiner Fürsorge sehr berührt.
In der Folge konnten mongolische Mönche nach Indien gehen, um dort zu studieren. Einige von ihnen haben den Geshe-Lharampa-Grad erworben und auch ihre tantrischen Studien abgeschlossen. Die Nalanda-Tradition ist in der Mongolei wiederbelebt worden, wofür der Khamba Lama seine Dankbarkeit ausdrückte. Er schloss mit der Bitte an Seine Heiligkeit, lange zu leben und auch weiterhin das Rad des Dharma zu drehen.
Seine Heiligkeit begann seine Unterweisung, indem er den Vers der Ehrerbietung, den Nagarjurna am Ende seines Werkes Grundlegende Weisheit des Mittleren Weges anführt, rezitierte.
Ich verneige mich vor Gautama Buddha,
der durch seine große Zuneigung
das erhabene Dharma lehrte,
das alle falschen Ansichten beseitigt.
„Es gibt einen Vers aus den Götterscharen von Tushita (Ganden Lha gya ma), den wir alle rezitieren. Er weist darauf hin, dass es, ganz gleich wie gelehrt man auch sein mag, ein Fehler ist, sein Lernen für Gewinn und Ruhm zu benutzen. Wir dürfen unsere Praxis nicht mit den acht weltlichen Belangen vermischen. Der Buddha gab sie vollständig auf, als er den Weg zur Erleuchtung einschlug.
„Genauso studierte Lama Tsongkhapa in verschiedenen Klöstern und legte Prüfungen ab, ohne einen Gedanken an die acht weltlichen Belange. Er ging in Wölkha ins Retreat, nur um zu praktizieren. Dann beschäftigte er sich in Lhading mit der Meditation über die Leerheit. Während er dort war, hatte er eine Vision oder einen Traum von Nagarjuna mit seinen fünf Hauptschülern. Er träumte, dass Buddhapalita aus ihrer Mitte nach vorne trat und mit der Abhandlung, die seinen Namen trägt, den Kopf von ihm berührte. Am nächsten Tag, während er das Buch las, erkannte Lama Tsongkhapa das abhängige Entstehen, dass die Dinge leer von unabhängiger Existenz sind. Er gewann eine klare Erkenntnis der Leerheit. Alle seine Zweifel wurden zerstreut.
„Wenn Ihr die fünf Abhandlungen lest, die Lama Tsongkhapa zu diesem Thema geschrieben hat, werdet Ihr sehen, wie gut er den Mittleren Weg verstanden hat: Ozean der Beweisführung, Verdeutlichung der Absicht, Abschnitt zur besonderen Einsicht des Großen Stufenwegs zur Erleuchtung; Abschnitt zur besonderen Einsicht des Mittellangen Stufenwegs zur Erleuchtung und Essenz der ausgezeichneten Erklärungen.
Seine Heiligkeit zitierte drei Verse aus Kapitel sechs in Chandrakirtis Werk Eintreten in den Mittleren Weg. Diese Verse erwähnen drei der vier logischen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn behauptet wird, dass Dinge und Wesen inhärent existieren. Die vierte logische Konsequenz wird in Chandrakirtis Selbstkommentar dargestellt. Die vier logischen Konsequenzen lauten:
(1) Es würde folgen, dass das meditative Arya-Gleichgewicht die Ursache der Zerstörung der Dinge ist.
(2) Es würde folgen, dass konventionelle Wahrheiten der letztendlichen logischen Analyse standhalten.
(3) Es würde folgen, dass die letztendliche Erzeugung nicht zu widerlegen ist.
(4) (Selbstkommentar:) Es würde folgen, dass die Erklärung darüber, dass die Phänomene leer von inhärenter Existenz sind, nicht vertretbar ist.
Täglich wiederholt Seine Heiligkeit diese Zeilen für sich selbst und denkt über sie nach.
Er merkte auch an, dass Lama Tsongkhapa in dem Großen Stufenweg zur Erleuchtung feststellt, dass die Vier Edlen Wahrheiten die Grundlage sowohl für das grundlegende Fahrzeug als auch für das große Fahrzeug sind. Diese Wahrheiten bilden den Rahmen für alles, was der Buddha lehrte.
Seine Heiligkeit kündigte dann an, dass er das Gebet, das die drei Formen des Vertrauens schürt, an die siebzehn großartigen Meister der glorreichen Nalanda-Tradition lesen würde. Er begann mit dem Schlusswort, um einen historischen Hintergrund für das Bittgebet zu geben. Im Schlusswort ist der folgende Satz enthalten: „Deshalb sollten wir die Lehre mit Unvoreingenommenheit und Skepsis zunächst gründlich analysieren und untersuchen.“ Dieser Satz veranlasste Seine Heiligkeit zu der Anmerkung, dass das Wort „unvoreingenommen“ auch in den Vierhundert Versen von Aryaveda vorkommt:
Ein unvoreingenommener, intelligenter und
interessierter Zuhörer wird als Gefäß bezeichnet.
Seine Heiligkeit erläuterte: Wenn man unvoreingenommen ist, wird man sehen, was vorteilhaft ist. Wenn man nicht zwischen Lehren, die richtig sind, und solchen, die falsch sind, unterscheiden kann, muss man intelligent sein. Darüber hinaus muss man interessiert sein, ein Bestreben haben, den Pfad zu verfolgen. Es ist notwendig, die Lehren mit einem unvoreingenommenen, vorurteilsfreien und wissbegierigen Geist zu analysieren.
Seine Heiligkeit erwähnte auch, dass unter den Dharma-Freunden, die ihn angeregt haben, dieses Gebet zu verfassen, Kyabje Trulshik Rinpoche war.
Der erste Vers ist ein Lob an den Buddha, dafür dass er die Lehre übermittelt hat. In seinem Lob an das abhängige Entstehen schreibt Lama Tsongkhapa:
Dem Lehrer folgend legte ich die klösterlichen Gelübde ab,
studierte die Lehre des Siegreichen gut
und war unermüdlich in der Yoga-Praxis: derart ist
die Hochachtung dieses Bikkhus für den Grossen Seher.
Dank der Güte meines Lamas traf
ich auf die unübertroffene Lehre Buddhas.
Es gibt spezifische Gegenmittel für die einzelnen geistigen Verblendungen. Doch Seine Heiligkeit zitierte die Beobachtung von Aryadeva, dass durch die Zerstörung der Unwissenheit alle geistigen Verblendungen beseitigt werden:
Genauso wie der Tastsinn den Körper durchdringt,
So ist die Verwirrung in allen Verblendungen anwesend.
Deshalb: Wenn man die Verwirrung überwindet,
überwindet man alle Verblendungen.
Vers zwei wendet sich an Nagarjuna, der die Sechs Sammlungen der Beweisführung schrieb. Seine Heiligkeit zitierte Verse aus Nagarjunas Grundlegende Weisheit des Mittleren Weges, die diese zusammenfassen:
Was immer in Abhängigkeit entstanden ist,
wird leer genannt.
Leerheit ist abhängige Benennung
und damit der Mittlere Weg.
Es gibt nichts, was nicht
in Abhängigkeit entstanden ist.
Daher gibt es nichts,
was nicht leer ist.
Vers drei richtet sich an Nagarjunas Hauptschüler, Aryadeva, der den Rat gab:
Zunächst vermeide das, was nicht verdienstvoll ist.
Dann vermeide [die grobe Ansicht eines] Selbst.
Später vermeide alle [falschen] Ansichten.
Wer immer dies versteht, ist weise.
Vers vier erinnert an Buddhapalita, während der fünfte Vers den gelehrten Bhavaviveka lobt, der eine Ansicht vertrat, die jenen Schülern half, die nicht in der Lage waren, bloße Benennungen zu akzeptieren.
Der sechste Verse beruft sich auf Chandrakirti, zu dessen tantrischen Schriften Klare Lampe gehört und der Eintreten in den Mittleren Weg, Selbstkommentar und Klare Worte verfasste, um die Madhyamaka-Sichtweise zu erläutern.
Shantideva, der durch den Vers sieben angerufen wird, schrieb Verhaltensweisen der Bodhisattvas.
Seine Heiligkeit sagte dazu: „Die Überlieferung dieses Buches war in Zentraltibet rückläufig, also machte ich eine besondere Anstrengung, um sie von Khunu Lama Rinpoche zu erhalten. Und seit dieser Zeit habe ich immer ein Exemplar bei mir und lese es, insbesondere die Kapitel sechs und acht.“
Die achte Strophe erinnert an Shantarakshita, dem die Tibeter die Einführung einer Herangehensweise an die Lehre des Buddha zu verdanken haben, die das Studium der Philosophie mit der Logik verbindet. Als nächstes ist Kamalashila, sein Schüler, genannt, der vor den Gefahren warnte, sich ausschließlich auf die nicht-konzeptionelle Meditation zu verlassen.
In den folgenden Versen werden Asanga, Vasubandhu und Dignaga angerufen. Dignaga schrieb das Kompendium der Logik (Pramaṇasamuccaya), was mit den Worten beginnt: „Ich verneige mich vor dem, der Pramana wurde, vor dem, der allen umherwandernden Wesen nutzen möchte, vor dem Lehrer, dem Sugata und dem Beschützer.“ Ihnen folgen Dharmakirti, Vimuktisena, Haribadra, Gunaprabha, Shakyaprabha und Atisha.
Nagarjuna erklärte die Vollkommenheit der Weisheitslehren, auf die in den Zeilen von Vers zwanzig angespielt wird:
Möge ich gesegnet sein, auf dass ich die Grundlagen für den Pfad zur Befreiung entwickle. Möge ich durch das Verständnis über die zwei Wahrheiten, welche die elementare Seinsweise sind, Gewissheit über die vier Wahrheiten und über das Eintreten in und das Beenden von Samsara erlangen, und mit Hilfe von der Logik, festes Vertrauen in die drei Zufluchtsobjekte finden.
Die Verse 21, 22 und 23 stellen das Bestreben dar, zu studieren und zu praktizieren. Und Vers 25 schließt mit den Worten: „und möge ich, solange der Raum existiert, zum Wohle der umherwandernden Wesen tätig sein.“ Seine Heiligkeit merkte an, dass die Unterweisung, die er nun gegeben hat, eine kurze Anleitung zu dem Text war, den er vor zwanzig Jahren verfasst hatte.
Anschließend begrüßte der Direktor des Waisen- und Pflegeheims Achlalt khuukhduud Seine Heiligkeit herzlich. Er erklärte, dass das Heim als Nichtregierungsorganisation gegründet wurde und Waisenkindern, Notleidenden, älteren Menschen und Behinderten hilft. Im Jahr 2015 starteten sie ein Projekt zum Bau eines Pflegezentrums, um diese Ziele zu erfüllen. Er drückte Seiner Heiligkeit große Dankbarkeit für seine Spende zur Unterstützung ihrer Arbeit aus.
Seine Heiligkeit antwortete: „Als menschliche Wesen sind wir alle abhängig von der Gemeinschaft oder der Gemeinde, in der wir leben. Wir werden allein geboren, aber wir können nicht allein leben. Wir sind von Natur aus mit anderen verbunden und von ihnen abhängig, deshalb müssen wir ihnen gegenüber mitfühlend und freundlich sein.
„Eine Sache, an der wir hart arbeiten müssen, ist die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Wir müssen ständig an das Glück der gesamten Menschheit denken. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns um die Bedürftigen kümmern, vor allem um diejenigen, die alt und gebrechlich sind.”
Während er Fragen aus dem Publikum beantwortete, erklärte Seine Heiligkeit, dass es wichtig ist, eine verlässliche, qualifizierte Person zu konsultieren, wenn wir durch Wahrsagen nach Orientierung suchen, wenn wir Schwierigkeiten haben.
Anwohner und Bergleute aus der Stadt Erdenet suchten den Rat Seiner Heiligkeit zum Thema Bergbau und Schutz der natürlichen Umwelt. Er antwortete, dass das Abbauen der Erde zum Zwecke der Gewinnung von natürlichen Ressourcen schon seit Urzeiten geschieht. Wenn es jedoch übermäßig getan wird, kann es zu einem Ungleichgewicht der Natur führen. Heutzutage ist es offensichtlich, dass zum Beispiel die fortgesetzte Verbrennung von Kohle zu einer Schädigung der Umwelt führt. Es gibt Alternativen. Wir können stattdessen auf die Nutzung von Solarenergie und Windkraftanlagen zur Stromerzeugung setzen, die die Umwelt mehr schonen.
Jemand fragte, was man tun solle, wenn die eigenen Bemühungen, Gutes zu tun, andere wütend machen. Seine Heiligkeit empfahl, Bescheidenheit zu kultivieren, sich selbst als geringer als alle anderen zu betrachten, die Niederlage zu akzeptieren und ihnen den Sieg zu schenken.
Jemand anderes wollte wissen, warum es so zu sein scheint, dass diejenigen, die durch Mitgefühl und Wahrheit motiviert sind, Opfer werden, während diejenigen, die unfair und missbräuchlich sind, erfolgreich sind. Seine Heiligkeit wies darauf hin, dass das zentrale Wort hier „scheint“ sei. Er sagte, die Realität ist, dass diejenigen, die ihre Macht missbrauchen, nicht glücklich sind. Missgunst macht unglücklich, während die Menschen einem vertrauen und man sich zufrieden fühlt, wenn man ehrlich und aufrichtig ist.
Auf die Frage, wie er die Mongolen mit anderen Völkern, denen er begegnet ist, vergleicht, antwortete Seine Heiligkeit, dass die Mongolen Buddhisten sind, die in einem buddhistischen Land leben. Historisch gesehen gab es große Gelehrte unter ihnen, die durch Studium, Reflektieren und Meditation gelehrt wurden und dabei bescheiden und freundlich blieben. Er verwies darauf, dass heute Wissenschaftler und Neurowissenschaftler zunehmend daran interessiert sind, was der Buddhismus über die Funktionsweise des Geistes zu sagen hat.
Schließlich erklärte Seine Heiligkeit, dass „Ethik jenseits der Religion“ bedeutet, die gesamte Menschheit in Betracht zu ziehen, weil wir alle überleben wollen. Deshalb müssen wir hier und jetzt als gute menschliche Wesen leben. Wir brauchen Ethik, um unser Denken und Verhalten zu leiten, weil wir alle in Harmonie zusammenleben müssen. Wir brauchen Liebe und Mitgefühl. Da die Kluft zwischen Arm und Reich in der Welt nur eine Quelle des Ärgers sein wird, müssen wir Wege finden, um eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu gewährleisten.
Der Koordinator dankte Seiner Heiligkeit für seine Unterweisung und wünschte, dass er lange leben möge, um dem Dharma und den fühlenden Wesen zu nutzen. Er verkündete, dass die Sitzung des Tages zu Ende sei. Seine Heiligkeit erklärte, dass er morgen „Die drei Hauptaspekte des Pfades“ lehren werde. „Wir sehen uns dann!“ sagte er und winkte zum Abschied.