Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Heute Morgen, am seinem 87. Geburtstag, nahm Seine Heiligkeit der Dalai Lama an einer Zeremonie zur Eröffnung der Bibliothek und des Archivs des Dalai Lama teil. Diese Räumlichkeiten befinden sich auf dem Areal unterhalb seiner Residenz und oberhalb des Lhagyal Ri Kora-Weges.
Nachdem Seine Heiligkeit angekommen war und in der neuen Audienzhalle Platz genommen hatte, machte der Ehrwürdige Samdhong Rinpoche Niederwerfungen und reichte ihm ein Mandala. Es wurden Tee und süßer Reis serviert. Zumchung Tashi, Projektleiter des Dalai Lama Trust, eröffnete die Veranstaltung. Er begrüßte die Gäste, zu denen der Ganden Tri Rinpoche und führende Vertreter der tibetischen Zentralverwaltung gehörten. Dann lud er den Ehrwürdigen Samdhong Rinpoche ein, den Anwesenden die Bibliothek und das Archiv des Dalai Lama vorzustellen.
Der Ehrwürdige Samdhong Rinpoche sprach zunächst Seine Heiligkeit respektvoll mit „Mein Ordinationsabt“ an und begrüßte dann alle Gäste.
Der Ehrwürdige Samdhong Rinpoche begann seine Erläuterungen: „Das, was Khedrup Je zu Lama Tsongkhapa sagte, gilt auch für Seine Heiligkeit: Da jeder deiner Atemzüge zum Nutzen aller Wesen ist, ist es nicht nötig, mehr über deine anderen erleuchteten Aktivitäten zu sagen.
„In der Vergangenheit lernten die Menschen die Lehren auswendig und konnten sie aus der Erinnerung rezitieren. Aber jetzt, in dem heutigen Zeitalter, das durch neue Technologien geprägt ist, können wir die Lehren Seiner Heiligkeit in einem digitalen Format aufbewahren. Einige Aufzeichnungen mögen unvollständig sein, aber wir werden uns bemühen, sie wiederherzustellen. Es gibt auch viele Bücher von und über Seine Heiligkeit in anderen Sprachen als Tibetisch und Englisch. Die wollen wir auch archivieren.
„Das Ziel dieser Bibliothek ist es, die Lehren Seiner Heiligkeit zu bewahren, damit die Menschen Zugang zu ihnen haben können. Auch die Lehren früherer Dalai Lamas werden archiviert werden. Zudem werden die verschiedenen Auszeichnungen, die Seiner Heiligkeit verliehen wurden, hier gesammelt und ausgestellt werden.
„Das Ziel dieses Projekts ist, Ressourcen für diejenigen zusammenzustellen, die das Leben und Werk Seiner Heiligkeit erforschen möchten. Wir konnten es dank der freundlichen Unterstützung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama so weit bringen.
„Neben dem Sammeln von Quellen planen wir auch, Seminare und Treffen mit Menschen zu ermöglichen, die eine besondere Verbindung zu Seiner Heiligkeit haben. Wir haben eine gute technische Ausrüstung und gut geschultes Personal, um mit Menschen auf der ganzen Welt in Verbindung zu treten.
„Wir haben uns bei der Planung und Errichtung der Bibliothek und des Archivs des Dalai Lama an die Regeln und Vorschriften der kommunalen Behörde von Dharamshala (Municipal Corporation Dharamshala) gehalten und danken für die Hilfe und Unterstützung, die wir dort erfahren haben.
„Es ist wichtig, Dokumente auf wissenschaftliche und technologisch fortschrittliche Weise aufzubewahren, wenn man bedenkt, dass wir in der Vergangenheit von anderen ausgenutzt wurden, weil unsere Aufzeichnungen und Unterlagen unvollständig waren. Bereits während der Amtszeit des 12. und 13. Kashag wurde der Versuch unternommen, ein Archiv einzurichten, aber es wurde nicht verwirklicht.“
Abschließend wies der Ehrwürdige Samdhong Rinpoche darauf hin, dass der Bau dieses Gebäudes und der Bau der Unterkünfte für die Mitarbeiter des Büros Seiner Heiligkeit schon im Jahr 2017 begonnen hatte, aber dann durch die Covid-19-Pandemie unterbrochen und erst im Jahr 2020 wieder aufgenommen wurde. Er betete, dass die durch diesen Bau erzielten Verdienste dem langen Leben Seiner Heiligkeit gewidmet seien.
Als sich danach Seine Heiligkeit an die Anwesenden wandte, lachte er und sagte: „An meinem Geburtstag sind alle glücklich und singen ‚Happy Birthday to You‘. Ich möchte euch dafür danken, dass ihr heute, in dieser für unser Volk so kritischen Zeit, fröhlich sind. Seit ich den Titel Dalai Lama trage, habe ich getan, was ich konnte, um zur Erhaltung der tibetischen Religion und Kultur beizutragen.
„An einem bestimmten Punkt schienen die Kultur, Religion und Sprache Tibets wie ein Regenbogen zu verschwinden, aber wir haben Schulen eingerichtet und unsere Klöster wieder aufgebaut, so dass heute die tibetische Kultur, Religion und Sprache sich im Exil entfalten und weiter bestehen können.
„Als ich das erste Mal in den USA war, wurde ich zu einem Besuch im Kongress eingeladen. Einer der Abgeordneten behauptete, China habe Millionen von Soldaten, während der Dalai Lama nur ein einzelner Mann sei, aber die Chinesen könnten ihn nicht besiegen. Der Punkt ist, dass wir nie gelogen haben – wir haben die Wahrheit auf unserer Seite.
„Jahrelang habe ich aufrichtig gearbeitet und dabei das Gesetz der Kausalität beachtet. Die Tibetfrage ist nicht nur eine politische Angelegenheit, sondern eine Frage der Wahrheit.
„Wenn wir über unsere Kultur sprechen, geht es meist um die Funktionsweise unseres Geistes und unserer Gefühle. Unsere Kultur konzentriert sich darauf, wie wir geistigen Frieden erreichen können. Wir haben nicht nur Wünsche, um mit unseren zerstörerischen Emotionen umzugehen, sondern wir haben Techniken, um sie zu besiegen. Wir müssen beobachten, welche unserer Emotionen unseren inneren Frieden stören, und wenn wir Wut, Eifersucht und so weiter erkannt haben, müssen wir daran arbeiten, ihnen entgegenzuwirken.“
Seine Heiligkeit erklärte, dass die Menschen heute, darunter auch Wissenschaftler, sich für die tibetische Kultur interessieren, weil sie erkennen, dass sie sich Methoden widmet, die der Erlangung des inneren Friedens förderlich sind. Er wies darauf hin, dass die Studierenden in den Klöstern gleich zu Beginn der tibetischen Klosterausbildung etwas über den Geist und die mentalen Faktoren lernen. Später gehen sie mit logischer Beweisführung an die Schriften heran und prüfen, welche als endgültig gelten können und welche der Interpretation bedürfen.
„Seit Tausenden von Jahren hat Indien die Prinzipien von Ahimsa (keinen Schaden anrichten) und Karuna (Mitgefühl) hochgehalten. In Tibet haben wir diese Praktiken so bewahrt, wie sie von den Gelehrten der Nalanda-Tradition vermittelt wurden. Wir leben im Exil, was auf den ersten Blick eine traurige Situation ist, aber infolgedessen hat sich das Interesse an unserer Tradition in der ganzen Welt verbreitet.
„Der 13. Dalai Lama verbrachte seine Zeit sowohl in Indien als auch in China. Er hat in Tibet Veränderungen herbeigeführt, war aber nicht sehr effektiv darin, die buddhistische Philosophie außerhalb unserer Grenzen bekannt zu machen. Ich möchte den tibetischen Gelehrten und Schülerinnen und Schülern von heute danken, die mit ihren Lehren aus unseren Traditionen so viel zum Wohlergehen der Menschheit beigetragen haben.
„In den ersten Tagen unseres Exils in Indien, als wir mit der Hilfe und Unterstützung von Premierminister Nehru Schulen für tibetische Kinder einrichteten, setzten wir Religionslehrer ein, die sie unterrichten sollten. Später haben wir sie ‚Philosophielehrer‘ genannt, so dass spätere Generationen von Exilschülern mit einem gewissen Verständnis für Philosophie und einer Wertschätzung für die Bedeutung von logischer Beweisführung aufgewachsen sind.
„Heute ist mein Geburtstag, und ihr seid alle trotz des heftigen Regens, den wir hatten, gut gelaunt. Ich will euch eine Geschichte erzählen: Bei einer Gelegenheit bezeichnete mich das Nechung-Orakel als ‚Wasserkristall-Juwel‘. Ich wurde in der Gegend von Siling geboren. Ich habe in Lhasa studiert und bin nach Indien ins Exil gegangen. Auf diesem Weg habe ich gelernt, wie man den Geist trainiert, und das ist etwas, das ich mit anderen teilen kann. Es scheint also, dass Nechungs Vorhersage über das Licht des ‚Wasserkristall-Juwels‘, das die Welt erhellt, wahr geworden ist.“
Anschließend überreichte Seine Heiligkeit dem Architekten, den Ingenieuren, dem Bauleiter und anderen, die aktiv am Bau des Bibliotheks- und Archivgebäudes beteiligt waren, ein Symbol der Dankbarkeit und eine Urkunde der Wertschätzung.
Der Sekretär des Dalai Lama Trust, Jamphel Lhundup, sprach Worte des Dankes: „Wir sind Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama sehr dankbar, dass er die Bibliothek und das Archiv des Dalai Lama an diesem besonderen Tag, Mittwoch, 6. Juli, dem Geburtstag Seiner Heiligkeit, eingeweiht hat. Und ich möchte dem Ehrwürdigen Samdhong Rinpoché für seine einleitenden Worte danken und den Dank des Dalai Lama Trust an alle unsere Gäste aussprechen, die heute zu diesem Anlass gekommen sind.
„Ich bete zu Seiner Heiligkeit, für uns zu sorgen, bis wir unter seinem Schutz die Erleuchtung erlangen.
„Es hat fünf Jahre gedauert, dieses Projekt fertig zu stellen. Und es ist mir eine große Freude, allen zu danken, die dazu beigetragen haben.“
Bevor die Veranstaltung zu Ende ging, wandte sich Seine Heiligkeit noch einmal alle Anwesenden: „Obwohl wir im Exil leben, sind wir nicht wie andere Flüchtlinge. Wir haben eine große und tiefe Tradition, deren Wertschätzung sich inzwischen weit verbreitet hat.
„Als wir zum ersten Mal von Mussoorie nach Dharamsala kamen, waren wir enttäuscht, so weit von Delhi entfernt zu sein. Aber dann besuchte mich Appa Pant, der frühere politische Beauftragte Indiens in Sikkim, im Swarag Ashram. Mit Blick in die Ferne sagte er: ‚Es ist sehr gut, dass du hier bleibst, von wo aus sich das Licht deiner Worte über Freundlichkeit und Mitgefühl in der ganzen Welt verbreiten wird.‘
„Dies ist nicht nur mein Verdienst, sondern auch das Engagement der Tibeter in Tibet und im Exil. Ihr habt alle gearbeitet, um meinen Rat zu befolgen. Ich möchte also allen Tibetern für das Erreichte danken. Ich werde noch ein oder zwei Jahrzehnte leben und habe das Gefühl, dass ich noch etwas beitragen kann.
„Sobald die Pandemie am Abklingen ist, freue ich mich darauf, nach Delhi zu reisen und mit Pädagogen darüber zu diskutieren, wie wir die Bildung umfassender gestalten können, indem wir einen modernen Ansatz mit dem alten indischen Verständnis der Funktionsweise des Geistes und der Emotionen verbinden.
„Mahatma Gandhi hat die Idee der Gewaltlosigkeit bekannt gemacht, aber jetzt müssen wir die Menschen auch mit dem Mitgefühl vertraut machen.
Da ich heute Geburtstag habe, werde ich gut essen und mich dann gut ausruhen. Bitte bewahrt euren Mut, arbeitet zusammen und gebt euer Bestes.“