Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Viele Menschen drängten sich mit einem Lächeln im Gesicht entlang der Straße, als Seine Heiligkeit der Dalai Lama heute Morgen bei wolkenlosem Himmel in Richtung Tashi Jong aufbrach. Das gesamte Kloster Gyutö säumte die Straße, um Seine Heiligkeit zu begrüßen, als er vorbeifuhr. Auch in Gopalpur, auf dem Weg nach Palampur, führte eine Gruppe maskierter Tänzer von Tashi Shölpa eine lange Reihe von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Mitarbeitenden der nahe gelegenen Schule des Tibetischen Kinderdorfes (Tibetan Children‘s Village, TCV) an. Viele von ihnen hielten weiße Seidenschals in den Händen. Alle sahen sehr erfreut aus, Seine Heiligkeit sehen zu können.
Als Seine Heiligkeit in Tashi Jong ankam, wurde er dort von der ganzen Gemeinde begrüßt. Seine Heiligkeit konnte direkt bis zu den Stufen der neuen Versammlungshalle fahren. An der Tür schnitt er das Band durch und eröffnete damit symbolisch das akademische Hauptgebäude des neuen Studienzentrums mit dem englischen Namen „Khamgar Druk Dharmakara College“. Am Kopf der Halle entzündete er eine Butterlampe vor einer großen Buddha-Statue.
Seine Heiligkeit bestieg den Thron und nahm seinen Platz ein. Während Khamtrul Rinpoche ein Mandala darbot, trug Seine Heiligkeit den roten Hut der Drukpa Kagyyu. Es wurden Darstellungen des Körpers, der Sprache und des Geistes des Buddha dargeboten, während ein von seinen Tutoren verfasstes Gebet für das lange Leben Seiner Heiligkeit gesungen und dann auch Tee und süßer Reis serviert wurden.
Einer der Khenpos begrüßte Seine Heiligkeit und bezeichnete ihn respektvoll als die Inkarnation von Avalokiteshvara und Meister der gesamten Lehre des Buddhas. Er grüßte alle Gäste und Würdenträger mit dem tibetischen Gruß „Tashi Deleg“.
In seinem Bericht, der in tibetischer Sprache gehalten wurde, sprach Khamtrul Rinpoche Seine Heiligkeit erneut als Meister der gesamten Lehre des Buddhas und als Fürsprecher des Friedens in der Welt an. Er dankte ihm dafür, dass er die Einladung zur heutigen feierlichen Eröffnung dieses neuen Studienzentrums angenommen hat.
Khamtrul Rinpoche erklärte, dass das erste Kloster Khamapagar vom ersten Khamtrul Rinpoche gegründet wurde und Zweigstellen in Derge und anderen Teilen von Kham hatte. Der große fünfte Dalai Lama hatte ihn dazu ermutigt. Nachfolgende Dalai Lamas, einschließlich des siebten Dalai Lamas, schrieben an die Khamtrul Rinpoches, um ihre Arbeit zur Erhaltung des Dharma zu würdigen. Später ermutigte auch der XIII. Dalai Lama den Khamtrul Rinpoche, der sein Zeitgenosse war, dem Dharma und den fühlenden Wesen weiterhin zu dienen.
Khamtrul Rinpoche bat: „So wie frühere Dalai Lamas sich um die Klöster Khampagar gekümmert haben, bitte ich Eure Heiligkeit, sich auch um uns zu kümmern."
Er erwähnte, dass der vierte Khamtrul Rinpoche, Tenzin Chökyi Nyima, in Chamdo ein Studienzentrum namens Chilling Gön gründete, zu dem er einen Lehrer aus dem Kloster Namgyal einlud. Später lud Rinpoches Vorgänger, der Achte Khamtrul Rinpoche Dongyud Nyima, Gelehrte aus den Klöstern Dzogchen und Kathog ein, um die Mönche zu unterrichten.
Hier in Khampagar wurden ein Sakya Khenpo Rinchen und Khenpos aus Tibet eingeladen, um zu lehren. Als die Zahl der Studierenden wuchs, entstand der Bedarf, größere Einrichtungen zu bauen, was zur Gründung des Khamgar Druk Dharmakara College führte. Khamtrul Rinpoche erklärte, das Studienzentrum folge der Nalanda-Tradition und ziehe Studierende aus der gesamten Himalaya-Region an.
Er schloss mit einem Wunsch für das Wohlergehen aller und betete, dass die Wünsche Seiner Heiligkeit in Erfüllung gehen und er ein langes Leben haben möge.
Kishori Lal, das örtliche Mitglied der Legislativversammlung, bezeichnete die Eröffnung des Studienzentrums als einen ganz besonderen Anlass. Er erinnerte daran, dass in den 1960er Jahren Tibeterinnen und Tibeter begannen, in Chauntra, Bir und Tashi Jong zu leben. Seitdem haben die indische Regierung und die Regierung von Himachal Pradesh ihnen jede erdenkliche Hilfe zuteil werden lassen. Der derzeitige Ministerpräsident hat dieses Hilfsangebot kürzlich wiederholt.
Sikyong Penpa Tsering, Präsident der Tibetischen Zentralverwaltung, lobte die Einweihung des Studienzentrums Khamgar Druk Dharmakara College durch Seine Heiligkeit. Er merkte an, dass einige der ehemaligen Schüler, die Khenpos wurden, im Kloster gelehrt haben, andere haben ihr Leben der Praxis gewidmet, während wieder andere nach Tibet zurückgekehrt sind, um zu lehren. Er erwähnte eine Konferenz, die die Tibetische Zentralregierung (Central Tibetan Administration, CTA) im nächsten Jahr organisieren wird und sagte, dass er hoffe, dass Lehrer und Schüler aus Khampagar daran teilnehmen werden. Er erwähnte auch, dass in Südindien mehrere Gelehrte, die den Geshe-Grad erhalten haben, jetzt an dem Institut für Höhere Studien mit dem englischen Namen „Dalai Lama Institute of Higher Studies“ unter der Schirmherrschaft der Universität von Bangalore an ihrer Promotion arbeiten.
Khenpo Tenphel sprach dann allen, die zum Aufbau des neuen Studienzentrums beigetragen haben, Lob und Dankbarkeit aus. Er zitierte Vasubandhus Rat, dass der richtige Weg zur Bewahrung der Lehren des Buddhas das Studium und die Praxis ist. Er würdigte den großen Beitrag, den die früheren und gegenwärtigen Khamtrul Rinpoches zu diesem Vorhaben geleistet haben.
Seine Heiligkeit antwortete: „Meine lieben Dharma-Freunde, ich freue mich, zu euch allen sprechen zu können. Heute blüht die tibetisch-buddhistische Tradition, die von den kommunistischen chinesischen Kräften in Tibet eingeschränkt wurde, dank des starken Glaubens des tibetischen Volkes. Diese Dharma-Tradition hat weder abgenommen noch ist sie verwässert worden, weil ihr alle hart gearbeitet habt. Heute gibt es ein wachsendes Interesse an unserem Wissen und unseren Traditionen unter den Buddhistinnen und Buddhisten in China sowie unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in anderen Teilen der Welt. Vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessieren sich für das, was wir über die Funktionsweise des Geistes und der Emotionen sowie über die Natur der Realität zu sagen haben.
Wir verbinden die Praxis des Erleuchtungsgeistes mit einem Verständnis der Leerheit. Die Dinge scheinen eine unabhängige Existenz zu haben, eine Identität, die nicht gefunden werden kann, wenn wir nach ihr suchen. Deshalb sagen wir, dass die Dinge nur durch ihre Benennung existieren.
Als buddhistischer Mönch denke ich morgens, gleich nach dem Aufwachen, an Bodhichitta, an das Gefühl, dass andere uns wertvoll und nahe sind, und an die Weisheit der Leerheit. Ich stelle fest, dass man sich umso besser fühlt, je altruistischer man ist. Bodhichitta führt zu einem friedlichen Geist.
Wenn ihr voller Wut und Eifersucht seid, werdet ihr nicht glücklich sein. Diese Emotionen wurzeln in einer Selbstbezogenheit und Selbstsucht, die zu Schaden und zum Ausbruch von Kriegen führen können. Mitgefühl und Bodhichitta hingegen sind eine Quelle des Friedens.
Ich habe die buddhistischen Schriften seit meiner Kindheit studiert und daran gearbeitet, das Gelernte zu verinnerlichen. Als Buddhisten sind Befreiung und Erleuchtung unser Ziel. Die Menschen reden gerne über den Frieden in der Welt, aber er wird erst dann erreicht, wenn wir einen inneren Frieden entwickeln. Wenn wir ein klareres Verständnis für die Funktionsweise des Geistes und der Emotionen erlangen, lernen wir, wie sehr wir Liebe und Mitgefühl in der Welt brauchen. Mehr und mehr Menschen erkennen dies.“
Seine Heiligkeit sagte, dass alle tibetisch-buddhistischen Traditionen, Nyingma, Sakya, Kagyu, Gelug und Jonang, die Anwendung von Logik mit einem Verständnis des Mittleren Weges oder der Madhyamaka-Sichtweise verbinden. Er stellte fest, dass sie alle gleich in dieser Hinsicht sind. Sie verwenden vielleicht unterschiedliche Begriffe, aber alle tibetisch-buddhistischen Traditionen konzentrieren sich auf Liebe und Mitgefühl, und in der heutigen Welt ist es an der Zeit, diese Werte mit allen zu teilen. Dies sollte man sich stets vergegenwärtigen.
Er verwies darauf, dass die Tibeterinnen und Tibeter ihr Land und damit ihre Freiheit verloren haben, aber sie haben Freunde in der ganzen Welt gefunden, die erkennen, dass das tibetische Volk ein ruhiges und friedliches Volk ist. Das liegt daran, dass es beim Buddhadharma nicht darum geht, Rituale auszuführen oder Musikinstrumente zu spielen, sondern darum, geistigen Frieden zu erlangen. Jetsun Mila war ein wahrer Praktizierender. Er spielte keine Trommel und keine Zimbeln, sondern meditierte über Bodhichitta und Leerheit, während er in Stille praktizierte.
Seine Heiligkeit sagte weiter: „Unsere Mütter bringen uns auf die Welt. Sie überschütten uns mit Liebe und Zuneigung – das ist etwas, das wir nicht vergessen sollten. Wenn wir erwachsen werden, sollten wir uns an die Liebe und Zuneigung erinnern, die wir von unseren Müttern erfahren haben, und sie im Umgang mit anderen einsetzen. Wenn ihr Liebe und Mitgefühl entwickelt, werdet ihr, wenn ihr dieses Leben verlasst, nicht nur in der Lage sein, in Frieden zu gehen, sondern es wird auch einen positiven Einfluss auf euer nächstes Leben haben. Auch das ist etwas, was ihr euch stets vergegenwärtigen solltet.
Ich bin gebeten worden, die Acht Verse der Geistesschulung zu lesen. Der Autor, Geshe Langri Thangpa, war Zeit seines Lebens ein großartiger Praktizierender des Bodhichitta. Diesen Text rezitiere ich jeden Tag für mich selbst als Teil meiner Meditation über Mitgefühl und Leerheit. Ich benutze diese acht Verse, um Bodhichitta zu entwickeln, und Zeilen aus Chandrakirtis Eintritt in den mittleren Weg, um mich auf die Leerheit zu konzentrieren.
Die Lehre Dharma zu bewahren ist nicht so, als würde man einen Besitz sicher aufbewahren, sondern es geht darum, die Lehren im Geist zu bewahren. Der Buddha erkannte die Natur der Dinge, wie sie sind, und Bodhichitta ist die Essenz dessen, was er lehrte.
Die ersten beiden Verse der Acht Verse der Geistesschulung raten uns, uns selbst als den Geringsten bzw. die Geringste von allen zu sehen und die anderen als wertvoll und höhergestellt zu achten. Der dritte Vers spricht an, dass wir unseren Geist stets prüfen und mit aller Kraft Verblendungen und schädlichen Emotionen entgegentreten. Der vierte Vers besagt, dass wir unsere Liebe und Mitgefühl gegenüber denen, die von schwerem negativem Karma und Leiden geplagt sind, die grob und unhöflich sind, nicht vernachlässigen sollen. Der fünfte Vers betont die Bedeutung des Friedens im inneren Geist. Wir müssen den Geist schulen, um uns zu verändern. So praktiziere ich, und ich ermutige euch, das auch zu tun.
Die folgenden beiden Verse beziehen sich darauf, wie man diejenigen, durch die man Situationen des großen Unrechts erlebt, als ausgezeichneten spiritualen Lehrer bzw. spirituelle Lehrerin sieht und auf die Praxis des Tong-Len, des Gebens und Nehmens.
Die Acht Verse der Geistesschulung schließen mit dem Vers:
Möge all dies zudem unbefleckt von den Makeln
der acht weltlichen Belange bleiben und möge ich mich
durch die Wahrnehmung, die alle Dinge als Illusion erkennt,
ohne Anhaftung von allen Fesseln befreien.
Meine Dharma-Freunde, Mönche sollten nicht wie weltliche Menschen sein, sie sollten die drei Übungen beibehalten und ruhig, friedlich und ausgeglichen sein. Das ist alles für heute – vielen Dank.“
Sponsoren und andere, die zur Gründung des Studienzentrums beigetragen hatten, erhielten eine Buddha-Statue von Seiner Heiligkeit und Khamtrul Rinpoche überreichte denjenigen, die an dem Gebäude gearbeitet hatten, Dankesurkunden.
Khenpo Lobsang Sangpo sprach Worte des Dankes aus. Er wandte sich erneut an Seine Heiligkeit als Meister der gesamten Lehre des Buddhas und als Fürsprecher des Friedens in der Welt und dankte ihm für die Einweihung des Studienzentrums und für die von ihm erteilten Unterweisungen. Er endete mit den Worten: „Wir danken Ihnen aus tiefstem Herzen und beten für Ihr langes Leben.“
Seine Heiligkeit und andere Gäste waren anschließend zum Mittagessen eingeladen. Danach machte er sich auf den Rückweg nach Dharamsala. Als Seine Heiligkeit durch Gopalpur fuhr, standen die Kinder des Tibetischen Kinderdorfes wieder entlang Straße, strahlten vor Freude, ihn zu sehen, und riefen „Tashi Deleg“ als Gruß.