Shewatsel, Leh, Ladakh, Indien - Heute Morgen wurde Seine Heiligkeit der Dalai Lama in die Lamdon-Sekundarschule (Lamdon Model Senior Secondary School) eingeladen, um die Festlichkeiten anlässlich des Goldenen Jubiläums der Schule und der Ausrichtung der Veranstaltung „Große Sommerdebatte“ zu eröffnen. Da sich die Schule im oberen Teil von Leh befindet, fuhr Seine Heiligkeit mitten durch die Stadt. Tibeter, Ladakhis und einige ausländische Touristen säumten den Weg. Viele hatten Khatas und Blumen in den Händen und ein Lächeln der Freude auf den Gesichtern.
Seine Heiligkeit wurde von einem Begrüßungskomitee empfangen und zur Bühne begleitet, die unter einem Sonnensegel über dem Schulgelände errichtet worden war. Zuerst erwies Seine Heiligkeit einer Buddha-Statue seine Ehrerbietung und zündete eine Butterlampe an, um die Festlichkeiten zu eröffnen. Anschließend enthüllte er eine Plakette, die auf die Einweihung des neuen Stadions mit dem Namen „14. Dalai Lama Open Stadium“ hinweist, und präsentierte mehrere Bücher und das Programm zum Goldenen Jubiläum. Auf dem Weg zu seinem Platz grüßte Seine Heiligkeit einige alte Freunde und winkte den rund 15,000 anwesenden Personen zu.
Während die Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände ihre Debattierkünste präsentierten, wurden Tee und süßer Reis serviert. Anschließend wurde das Schullied vorgetragen, in dem erwähnt wird, dass der Name der Schule von Atishas wegweisendem Werk Lampe für den Pfad zur Erleuchtung inspiriert ist.
In einer persönlichen Ansprache erinnerte die Schulleiterin Tsering Angmo daran, dass sie bei ihrem Eintritt in die Schule nervös und schüchtern war. Damals, so sagte sie, wäre sie nicht in der Lage gewesen, in der Öffentlichkeit vor einer solchen Versammlung zu sprechen. Aber jetzt stehe sie vor der Versammlung voller Selbstvertrauen, das sie an dieser Schule erworben habe. Sie wies auch darauf hin, dass das Licht der Lampe, die im Namen der Schule erwähnt wird, von den wunderbaren Lehrerinnen und Lehrern ausgeht, die an der Schule lehren. Im Namen aller Schülerinnen und Schüler dankte sie allen Lehrerinnen und Lehrern der Schule.
Der Schulsprecher Nawang Namgail sprach ein Gebet für das lange Leben Seiner Heiligkeit. Er erklärte, die Schule habe ihm und seinen Mitschülerinnen und Mitschülern alle denkbaren Möglichkeiten eröffnet, wofür sie alle dankbar seien. Er merkte auch an, dass die Schule, dem Rat Seiner Heiligkeit folgend, moderne Bildung mit inneren Werten verbindet. Auch er dankte den Lehrerinnen und Lehrern sowie allen Mitarbeitenden im Namen der gesamten Lamdon-Familie.
Der Vorsitzende des Vereins für Soziales Engagement der Lamdon-Sekundarschule (Lamdon Social Welfare Society), Phuntsok Angchuk, begrüßte die Ehrengäste und alle Unterstützerinnen und Unterstützer, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Mitarbeitenden sowie alle anderen Versammelten. Er erzählte, dass die Schule in diesem Jahr ihr Goldenes Jubiläum feiert und dass sie im Rahmen der Großen Sommerdebatte eine Konferenz zu dem Thema „Menschen durch Wissenschaft, Mitgefühl und universelle Ethik verbinden“ veranstaltet.
Phuntsok Angchuk erinnerte daran, dass die Schule ursprünglich mit Unterstützung des ehrwürdigen Kushok Bakula Rinpoche gegründet wurde. Von den ersten kleinen Schritten ist die Schule inzwischen zu einer Sekundarschule herangewachsen und aus einigen wenigen Schülerinnen und Schülern sind jetzt mehr als 1000 junge Menschen geworden, die die Schule besuchen. Phuntsok Angchuk erzählte auch, dass der Lehrplan der Schule Erläuterungen zur buddhistischen Philosophie und Anleitungen zur Entwicklung von Liebe und Mitgefühl enthält. Abschließend dankte er sowohl Seiner Heiligkeit als auch Kushok Bakula Rinpoche für ihre kontinuierliche Inspiration und Unterstützung und lud Seine Heiligkeit ein, zu den Versammelten zu sprechen.
„Meine Dharma-Brüder und Dharma-Schwestern, jung und alt – ihr alle arbeitet zusammen, um den Buddha-Dharma zu bewahren, und seid ihm zutiefst dankbar und zugetan. Wenn ich hierher komme, kann ich eure aufrichtige Hingabe sehen, wofür ich euch danken möchte.
In einem Vers am Ende seines Textes Stufenweg zur Erleuchtung schreibt Lama Tsongkhapa:
Möge ich — tief bewegt vom großen Mitgefühl — in den Gebieten,
wo sich die höchste, kostbare Lehre noch nicht verbreitet hat
oder wo sie sich verbreitete, aber wieder nachgelassen hat,
den Schatz des Glücks und Wohlbefindens deutlich machen.
In der heutigen Welt gibt es viele Orte, an denen die Lehre des Buddha früher nicht verbreitet war und an denen jetzt viele Menschen ein zunehmendes Interesse an ihr zeigen. In Ländern, in denen sich das Interesse an der Lehre des Buddha einst verbreitete, später aber zurückging, gibt es Menschen, die festgestellt haben, dass materielle Entwicklung allein keinen inneren Frieden bringen kann.
In meinem eigenen Leben habe ich alle möglichen Höhen und Tiefen erlebt, aber ich habe mich nie entmutigt oder ärgerlich gefühlt. Jetzt bin ich fast 90 Jahre alt, und ich bin sicher, dass die Lehre Buddhas mir geholfen hat, nicht den Mut zu verlieren. Ich bin nach wie vor entschlossen, für alle fühlenden Wesen zu arbeiten – so wie es in dem Vers von Shantideva in dem Text Verhaltensweisen der Bodhisattvas heißt:
Solange der Himmelsraum besteht
und solange die Welt besteht,
solange möge auch ich bestehen,
um die Leiden der Wesen zu beseitigen.
Ich fühle mich niemals entmutigt und lasse auch nie in meiner Entschlossenheit nach. Ich bewahre meinen inneren Frieden und bleibe der Arbeit für andere Wesen verpflichtet.
Die Menschen in Ladakh schätzen die Lehre Buddhas von ganzem Herzen, so wie die Menschen in der gesamten Himalaya-Region. Je größer die Hindernisse sind, denen sie sich gegenübersehen, desto größer ist ihr Mut.
Die chinesischen Kommunisten verachten die Religion und versuchen, den Glauben der Menschen an den Buddhismus zu zerstören, indem sie sie manipulieren. Die Menschen in Tibet haben sich von diesen Umständen nie unterkriegen lassen. Auch sie sind fest entschlossen, der Lehre Buddhas zu folgen und sie zu unterstützen. Von Ladakh bis Tawang sind die Menschen in ihrem Glauben an Buddha und seine Lehre fest entschlossen.
Ich habe Studierende von Universitäten in Tibet getroffen, die mir gesagt haben, dass es den chinesischen Kommunisten überhaupt nicht gelungen ist, den engagierten Geist der Tibeterinnen und Tibeter zu stören. In der Tat gibt es auch eine wachsende Zahl von Chinesinnen und Chinesen, die sich für die Lehre Buddhas interessieren, vor allem deshalb, weil sie in Tibet aufrechterhalten wurde.
Seine Heiligkeit sprach über Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich zunehmend für die Funktionsweise des Geistes und der Emotionen interessieren. Sie kommen zu ihm, nicht um zu beten, sondern um zu lernen, wie man den Frieden des Geistes erreicht.
Er merkte an, dass in der gesamten Himalaya-Region die Wertschätzung für die Nalanda-Tradition wächst, die in der Praxis von Ethik, Konzentration und Einsicht verwurzelt ist. Diese Schulungen ermöglichen eine innere Transformation auf der Grundlage von logischer Beweisführung.
Seine Heiligkeit sagte, dass er jeden Morgen, wenn er aufwacht, über den Erleuchtungsgeist und die Weisheit, die die Leerheit erkennt, nachdenkt. Und das bringt ihm inneren Frieden.
Seine Heiligkeit betonte: „Die Nalanda-Tradition wurde in Tibet dank der Güte von Shantarakshita etabliert. Er riet den Tibeterinnen und Tibetern, dass es von Vorteil wäre, wenn sie buddhistische Literatur ins Tibetische übersetzen würden, da sie ihre eigene Schriftsprache hätten. Das Ergebnis sind die Kangyur- und Tengyur-Sammlungen, die wir heute sehr schätzen.
Dadurch konnten die Tibeter das Madhyamika-Denken im Rahmen der logischen Beweisführung studieren, eine nützliche Herangehensweise, die zu einer umfassenden Erkenntnis führt. Dies ist eine gute Tradition, die Gewissheit über die Lehre Buddhas gegeben hat. Deshalb fordere ich euch, meine Dharma-Brüder und Dharma-Schwestern, auf, nicht nur den Zufluchtsvers zu rezitieren, sondern auch das Madhyamika-Denken, die Logik und die Theorie des Wissens zu studieren.
Man mag an vergangene und zukünftige Leben glauben oder nicht, aber wenn man sich jetzt auf die Praxis einlässt, kann man die Auswirkungen dieser Lehren auf den Geist schon in diesem Leben erkennen. Wir sprechen heute von säkularer Ethik, weil diese Werte gelehrt und praktiziert werden können, ohne dass man eine religiöse Haltung einnehmen muss. Und wenn man sich auf diese Tradition stützt, werden sich Liebe und Mitgefühl ganz natürlich einstellen.“
Seine Heiligkeit erinnerte sich an mehrere Begegnungen mit Mao Zedong, den er als Philosophen bezeichnete, während seines Besuchs in China. Bei der letzten Begegnung nahm Mao die Hand Seiner Heiligkeit und gab ihm Ratschläge, wie er die Menschen führen könne. Er sagte ihm, er scheine einen wissenschaftlichen Verstand zu haben, aber blinder Glaube an die Religion sei wie Gift. Seine Heiligkeit sagte, dass er nicht sofort darauf reagierte, und seitdem fragt er sich, ob Mao zu gegebener Zeit den Buddhismus zu schätzen gelernt haben könnte.
Seine Heiligkeit erinnerte sich auch an eine Gelegenheit in Peking, als der Panchen Rinpoche während eines Gewitters bemerkte, dass ein Drache brüllte. Seine Heiligkeit erklärte ihm, dass es so etwas wie Drachen nicht gibt und dass Donner und Blitze durch eine elektrische Entladung zwischen zwei elektrisch geladenen Bereichen entstehen.
Seine Heiligkeit wies darauf hin, dass es hier und anderswo eine ganze Reihe von Klöstern gibt, und erwähnte, dass der Vinaya, der Kodex der klösterlichen Disziplin, besagt, dass Mönche und Nonnen sich nicht mit dem bloßen Tragen von Mönchsroben zufrieden geben sollten. Sie sollten studieren und meditieren und die Praxis der Liebe und des Mitgefühls, Bodhichitta, in sich selbst integrieren. Er appellierte an die Mönche und Nonnen, sich dies vor Augen zu halten.
Er betonte in diesem Zusammenhang: Wir Tibeterinnen und Tibeter und die Menschen in der Himalaya-Region beten alle zu Avalokiteshvara und rezitieren sein sechssilbiges Mantra. Doch um ein Nachlassen unseres Mitgefühls zu verhindern, brauchen wir Weisheit. Wir müssen zu Manjushri beten, wie der folgende Vers es verdeutlicht:
Ich verneige mich vor Manjushri,
der eine jugendliche Erscheinung hat
und dessen strahlendes Licht der Weisheit
die Finsternis der drei Welten beseitigt.
Die Wiederholung dieses Gebets wird uns helfen, unsere Intelligenz zu verbessern. Um die Lehren zu verstehen und die Realität der Dinge zu sehen, müssen wir unsere Intelligenz schärfen. Und auf der Grundlage dessen können wir unser Mitgefühl ausweiten.“
Seine Heiligkeit gab die Übertragung des Lobpreises an Manjushri, bekannt als Gangloma, und lud dann die Versammelten ein, gemeinsam mit ihm das Mantra Manjushris – OM ARA PAT SA NA DHI – zu rezitieren.
Seine Heiligkeit sagte dazu: „Mönche, Nonnen und Laien, junge und alte Menschen und besonders Schülerinnen und Schüler, die dieses Mantra rezitieren, werden feststellen, dass es ihre Fähigkeit zu studieren verbessert. Doch Weisheit oder Einsicht in die Realität ist nicht genug. Wir brauchen auch Mitgefühl, also behaltet Mitgefühl im Sinn, während ihr Manjushri ehrt.“
Seine Heiligkeit las anschließend den Text Acht Verse der Geistesschulung. Er erwähnte, dass dieser großartige Text von Geshe Langri Thangpa verfasst wurde, und sagte, dass dies ein weiterer Text ist, den er jeden Tag liest oder rezitiert und den er als sehr hilfreich bei der Reflexion über den Methodenaspekt des Pfades empfindet. In Verbindung mit der Reflexion über die Einsicht in die Leerheit, dem Weisheitsaspekt, wird der Praktizierende befähigt, den fünffachen Pfad zu beschreiten, der schließlich in der Buddhaschaft gipfelt.
Die Praxis dieser beiden Prinzipien, Weisheit und Methode, führt schließlich zur Erlangung des Wahrheitskörpers, dem Aspekt der Weisheit, und des Formkörpers, dem physischen Aspekt, des Buddhas.
Zum Abschluss sagte Seine Heiligkeit: Wir haben uns heute hier getroffen und ich konnte euch eine Einführung in die Acht Verse der Geistesschulung und das Lobpreis an Manjushri geben. Jeder von uns sollte seine Praxis an den Lehren des Buddha ausrichten.
Vor kurzem, als ich in Stok vor der großen Buddha-Statue war, habe ich ein Gebet gesprochen, um die Lehren so gut wie möglich in Übereinstimmung mit der Lehre des Buddha zu befolgen.
Ich respektiere alle Religionen der Welt, weil sie alle die Praxis der Liebe und des Mitgefühls empfehlen. Der Buddhismus verfügt jedoch auch über eine große und tiefgründige Philosophie. Meine muslimischen Freunde möchten sich vielleicht mit unseren Erklärungen zum Mitgefühl befassen, ohne ihren Glauben an Allah aufzugeben. Da die Entwicklung von Liebe und Mitgefühl unser gemeinsames Ziel ist, gibt es keinen Grund, zwischen Menschen der einen oder anderen Religion zu diskriminieren. Wir sollten alle in Harmonie miteinander leben.
Ich möchte euch alle auch daran erinnern, dass wir eine unserer ersten Schulen in Mussoorie gegründet haben und dass andere auf diesem Vorbild basieren. Zu Beginn wurden Geshes und Lamas in diesen Schulen als religiöse Lehrer angestellt. Später schien es mir jedoch, dass ein solcher Ansatz zu begrenzt und einseitig war. Also haben wir diese Position in „Lehrer der Philosophie“ umbenannt, was eine größere Bandbreite eröffnet.
Außerdem habe ich Nonnen zum Studium ermutigt, und einige von ihnen sind inzwischen Geshemas geworden.
Die Philosophie fordert uns auf, unsere Intelligenz zu nutzen. Das ist einer der Gründe, warum ich mich gefreut habe, junge Schülerinnen und Schüler heute hier miteinander debattieren zu sehen.
Manchmal frage ich mich, wenn ich so verwegen sein darf, ob ich, wenn ich die Gelegenheit hätte, mit Nagarjuna zu debattieren, ihn vielleicht dazu bringen könnte, sich am Kopf zu kratzen. Chapa Chökyi Senge hat das tibetische System der Debatte auf der Grundlage von Texten, die sich mit logischer Beweisführung befassen, formalisiert und einen Untersuchungsansatz entwickelt, der in Bezug auf jedes Thema in jedem Kontext angewendet werden kann. Ich bewundere diese Vorgehensweise und empfehle euch, sich mit ihr vertraut zu machen. Das war's für heute.
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Schule möchte ich die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Mitarbeiter grüßen und euch allen danken. Es geht nicht darum, die Lehre Buddhas für die nächsten paar Jahre zu bewahren, sondern für die nächsten Hunderte von Jahren. Vielen Dank und Tashi Delek!“
Die Schülerinnen und Schüler führten mehrere Lieder und Tänze auf, einige traditionell und lokal, andere eher modern, um Seine Heiligkeit zu ehren.
Der Schulleiter, Stanzin Dawa, sprach Worte des Dankes. Er sagte, er wolle Seiner Heiligkeit Respekt und Dankbarkeit entgegenbringen. Er erklärte, dass sich alle an der Schule zutiefst geehrt fühlten, dass Seine Heiligkeit den Anlass mit seiner Anwesenheit beehrt habe. Er dankte auch den Mitgliedern der örtlichen Verwaltung, den Gästen und Unterstützern für ihre Teilnahme an diesem freudigen Ereignis.
Seine Heiligkeit winkte der Menge zu, bevor er in sein Auto stieg und durch Leh fuhr, wo erneut viele Menschen die Straße säumten, und zu seiner Residenz in Shewatsel Phodrang zurückkehrte.