Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Gestern wurde bekannt gegeben, dass die Ärzte Seiner Heiligkeit des Dalai Lama ihm wegen einer hartnäckigen Erkältung geraten haben, sich heute und morgen zu schonen. Daher wurde Gaden Tri Rinpoche gebeten, mit den geplanten Unterweisungen zu beginnen, die von taiwanesischen Schülerinnen und Schülern gewünscht wurden.
Deshalb kam heute Morgen Gaden Tri Rinpoche in den Tsuglagkhang, dem tibetischen Haupttempel in Dharamsala, um die Unterweisungen zu beginnen. Nachdem er seinen Platz eingenommen hatte, wurde das Herz-Sutra auf Chinesisch rezitiert und Vertreter der verschiedenen Gruppen von Schülerinnen und Schülern brachten Gaden Tri Rinpoche Symbole des Körpers, der Sprache und des Geistes des Buddhas dar.
Zu Beginn seiner Rede rezitierte Gaden Tri Rinpoche aus Nagarjunas Text Grundlegende Weisheit des mittleren Weges:
Das, was in Abhängigkeit entsteht,
ist ohne Beendigung und ohne Erzeugung,
ohne Auslöschung und ohne Beständigkeit,
ohne Kommen und ohne Gehen,
ohne Anderssein und ohne Einssein,
es ist frei von Fabrikationen und friedvoll –
ich verneige mich vor dem, der all das lehrte,
dem vollkommenen Buddha, dem Höchsten aller Lehrenden.
Gaden Tri Rinpoche erwähnte als erstes, wie wichtig es ist, am Anfang und am Ende von allem, was man tut, eine richtige Motivation zu haben. Am Anfang jeder Dharma-Praxis sollten wir den Wunsch haben, anderen zu helfen, und am Ende sollten wir den Verdienst widmen.
Er führte weiter aus: „Wenn wir ein kostbares menschliches Leben haben und die Möglichkeit, den Dharma zu praktizieren, müssen wir daran denken, dies zu tun, um alle fühlenden Wesen von ihrem Leiden zu befreien. Wir müssen den Unterweisungen zuhören, über das Gehörte nachdenken und über das, was wir verstanden haben, meditieren.
Heute werde ich aus einem kurzen Text von Lama Tsongkhapa mit dem Titel Kurze Darstellung des Stufenwegs zur Erleuchtung – Lied der inneren Erfahrung lehren, der den gesamten Pfad, den Buddha gelehrt hat, wiedergibt. Zunächst einmal ist es gut, die Authentizität der Lehre in Bezug auf die Bedeutung ihrer Autoren zu würdigen. Die in diesem Text enthaltenen Lehren stammen von Buddha Shakyamuni und wurden von großen indischen und tibetischen Meistern an Lama Tsongkhapa, eine Emanation von Manjushri, weitergegeben, der sie in diesem Werk zusammenstellte. Tsongkhapa verfasste eine lange Abhandlung über die Stufen des Pfades zur Erleuchtung sowie eine mittlere und eine kurze Abhandlung.
Der Text beginnt mit einer Lobpreisung des größten der Shakyas, dessen Körper aus Millionen vollkommener Faktoren der Vortrefflichkeit geformt ist, dessen Rede die Hoffnungen unzähliger fühlender Wesen erfüllt und dessen Geist alle Wissensobjekte genau so wahrnimmt, wie sie sind.
Weiter werden Manjushri und Maitreya gewürdigt, die jeweils die tiefgründige Sichtweise und die weitreichenden Handlungen eines Bodhisattvas darlegen. Auch Nagarjuna und Asanga sowie Dipankara Atisha wird Ehrerbietung erwiesen.“
Gaden Tri Rinpoche ging anschließend auf die Verse 7 bis 10 ein:
Weil diese Lehre ausnahmslos die Wünsche der Wesen erfüllt,
ist sie der König der Könige unter den kostbaren Unterweisungen.
Da sie tausende Flüsse der ausgezeichneten Schriften vereint,
ist sie ein Ozean herrlicher und meisterhafter Erklärungen.
(7)
Durch sie erkennt ihr, dass alle Lehren frei von Widersprüchen sind;
durch sie erscheinen alle Belehrungen als persönliche Anweisungen;
durch sie werdet ihr mit Leichtigkeit der Absicht der siegreichen Buddhas gewahr und
durch sie findet ihr Schutz vor dem Abgrund schwerwiegender negativer Handlungen.
(8)
Deshalb ist sie eine ausgezeichnete Unterweisung über den Stufenweg der drei Arten der Praktizierenden,
auf die zahlreiche Glückliche wie die Gelehrten Indiens und Tibets vertrauen.
Wo könnte es einen verständigen Menschen geben,
dessen Geist nicht von ihr gefesselt wäre?
(9)
Wenn ihr diese zusammengefasste Unterweisung, die die Essenz aller Belehrungen vereint, nur einmal rezitiert oder vernehmt, kommt euch unwiderleglich der äußerst wirkungsvolle Verdienst zu, den ihr sonst durch das Erklären oder Studieren des Dharmas ansammelt. Darum solltet ihr über ihren Sinngehalt nachdenken.
(10)
Gaden Tri Rinpoche erklärte, dass die bisherigen Verse auf die Großartigkeit der Lehre hinweisen. In den Versen, die dann folgen, erläutert der Text die Art und Weise, wie man die Lehre praktiziert und wie wichtig es ist, sich auf einen qualifizierten spirituellen Meister zu verlassen. Der Text verdeutlicht, wie man sich in Gedanken und Taten richtig auf die guten spirituellen Freunde verlässt, die uns den Weg zeigen.
Von diesem Punkt an betont Tsongkhapa seine Anweisungen, indem er einen bestimmten Teil seiner Textzeilen wiederholt: „Ich, ein Yogi, habe auf diese Weise praktiziert; ihr, die ihr nach der Befreiung strebt, solltet dies ebenso tun.“
Der Text weist uns an, über die Kostbarkeit des menschlichen Lebens nachzudenken und darüber, wie schwer es zu erlangen ist. Es wird als leicht zu verlieren beschrieben – es vergeht so schnell wie ein Blitz am Himmel. Um es zu erhalten, müssen wir uns an die Ethik halten und auf dieser Grundlage andere Praktiken entwickeln. Alle weltlichen Handlungen sind nur wie umherfliegende Spreu. Wir müssen das Beste aus diesem Leben machen, Tag und Nacht. Dies vervollständigt die Unterweisung, die sich an Personen mit grundlegenden Fähigkeiten richtet.
Der Text geht weiter: Es gibt keinerlei Gewissheit, dass man nach dem Tod nicht in niederen Bereichen geboren wird. Nur die Drei Juwelen gewähren sicheren Schutz vor solchen Schrecken geben. Deshalb müssen wir unsere Praxis der Zuflucht beständig machen. Wir müssen über die Fehler der negativen Handlungen und die Qualitäten der Tugend nachdenken und uns in dem üben, was anzunehmen und was zu vermeiden ist.
Da es keinen schnellen Fortschritt in Richtung des höchsten Pfades geben wird, wenn wir nicht die Grundlage für die Verwirklichung des Pfades erlangen, müssen wir uns darin üben, die Ursachen für diese vollständige Grundlage zu schaffen. Mit Sorgfalt müssen wir fortwährend die Anwendung der vier Kräfte schätzen, da es wichtig ist, karmische Hindernisse zu läutern.
Gaden Tri Rinpoche zitierte einen Vers aus der "Darbringung an den spirituellen Meister" (Lama Chöpa):
Segne mich, dass ich aus Furcht vor den lodernden Feuern
des Leidens der niederen Bereiche
von Herzen Zuflucht zu den drei Juwelen nehme
und dass ich mich ernsthaft bemühe, das Schlechte aufzugeben
und alle Ansammlungen der Tugend zu vervollständigen.
Ein wirkliches Streben nach Befreiung wird nicht entstehen, ohne dass wir uns die Mühe machen, die Nachteile des wahren Leidens zu bedenken. Solange wir nicht darüber nachdenken, wie die wahren Ursprünge die Stufen des Eintritts in den Daseinskreislauf bewirken, werden wir nicht verstehen, wie wir die Wurzel des Daseinskreislaufs durchtrennen können. Gaden Tri Rinpoche merkte an, dass wir, wenn wir durstig sind, nach Wasser suchen, ähnlich werden wir erst dann nach wirklicher Befreiung streben, wenn wir sehen, wie wir im Kreislauf der Existenz gebunden sind. Damit ist die Unterweisung für Personen mit mittlerer Kapazität abgeschlossen.
Gaden Tri Rinpoche erklärte, wie wichtig es ist, die vier edlen Wahrheiten zu verstehen und wie die Zuflucht zu den drei Juwelen, dem Buddha, dem Dharma und dem Sangha, eine buddhistische Praxis ist. Das Nachdenken über das erlebte Leiden führt nicht nur dazu, dass wir die Entschlossenheit entwickeln, befreit zu werden, sondern bildet auch die Grundlage für die Entwicklung von Mitgefühl für andere leidende fühlende Wesen.
Die zentrale Säule des Mahayana-Pfades ist der Erleuchtungsgeist. Er ist wie eine Lösung, die alles in Gold verwandet – so lässt er alle Handlungen zu den zwei Ansammlungen werden. Und er ist wie eine Schatzkammer der Verdienste, die die Ansammlung unzähliger Tugenden enthält. In diesem Wissen machen die heldenhaften Bodhisattvas diese kostbare und höchste Haltung zu ihrer grundlegenden Praxis. Nur wenn wir selbst die Buddhaschaft erlangen, können wir anderen wirklich helfen. Die heldenhaften Bodhisattvas erkennen das und wahren den kostbaren höchsten Geist als ihre grundlegende Praxis.
Shantidevas Text Verhaltensweisen der Bodhisattvas unterscheidet zwischen dem Wunsch zu reisen und dem tatsächlichen Reisen:
Zusammenfassend soll man den Erleuchtungsgeist
in zweifacher Art verstehen:
als Geist im Sinne des Wunsches nach der Erleuchtung und
[als Geist] im Sinne des aktiven Voranschreitens zur Erleuchtung.
(15.1)
Genauso wie man den Unterschied versteht zwischen dem,
der nur reisen will, und dem, der unterwegs ist,
sollen die Gelehrten den Unterschied
zwischen diesen beiden erkennen.
(16.1)
Gaden Tri Rinpoche riet, dass wir dreimal am Tag und dreimal in der Nacht über Bodhichitta und seinen Nutzen nachdenken sollten. Er merkte an, dass diejenigen, die das Höchste Yoga-Tantra praktizieren, dies tun, wenn sie das Sechsfache Guru-Yoga rezitieren. Er schloss den Tag, indem er auf die Qualitäten von Bodhichitta verwies, die in Shantidevas Text Verhaltensweisen der Bodhisattvas dargelegt werden:
Dieser [Erleuchtungsgeist] ist das vortreffliche Elixier,
das den Herrn des Todes der Lebewesen bezwingt.
Dieses ist auch der unerschöpfliche Schatz,
der die Armut der Wesen beseitigt.
(3.28)
Dieses ist auch die beste Arznei,
die die Lebewesen von allen Krankheiten heilt.
Es ist der Baum, an dem die Lebewesen Erholung finden,
die vom Umherziehen auf den Straßen des Daseins erschöpft sind.
(3.29)
Es ist die für alle Lebewesen offene Brücke,
um die schlechten Daseinsformen zu überqueren.
Es ist für den Geist der aufgehende Mond,
der die Hitze der Geistesgifte der Welt kühlt.
(3.30)
Es ist die große Sonne, welche die Trübung
des Nichtwissens dauerhaft aus der Welt verbannt.
Es ist die Essenz der Butter,
entstanden aus dem Schlagen der Milch der Lehre.
(3.31)