Thekchen Chöling, Dharamsala, HP, Indien - Heute hatten sich die Wolken verzogen, und das Sonnenlicht schien auf den Innenhof, als Seine Heiligkeit der Dalai Lama zum Tempel ging. Menschen saßen auf beiden Seiten des Weges, um ihn zu begrüßen, mit weißen Seidenschals in den gefalteten Händen.
Sechs mongolische Laienschülerinnen und Laienschüler saßen vor dem Thron Seiner Heiligkeit und rezitierten das Herz-Sutra auf Mongolisch, und viele ihrer Landsleute, die im Tempel saßen, rezitierten es auch.
Seine Heiligkeit wandte sich an die Anwesenden: „Heute haben wir hier tibetische und mongolische Buddhistinnen und Buddhisten sowie Menschen aus anderen Ländern, die daran interessiert sind, die buddhistischen Lehren kennen zu lernen. Für Sie ist es von Interesse, dass der Buddhismus auf der logischen Beweisführung basiert und sowohl für den Frieden des Geistes als auch für den Frieden in der Welt von Bedeutung ist.
Was mich betrifft, so habe ich seit meiner Kindheit darüber nachgedacht, den Erleuchtungsgeist und ein Verständnis der Leerheit zu entwickeln. Ich habe das als hilfreich empfunden und freue mich, das, was ich gelernt habe, mit anderen Menschen zu teilen.
Wir Tibeterinneren und Tibeter hier leben im Exil, weil wir unser Land verloren haben. Aber wo wir sind, ist nicht so wichtig, denn wir stützen uns auf die Nalanda-Tradition, die der große indische Meister Shantarakshita auf Einladung von König Trisong Detsen in Tibet eingeführt hat. Diese Tradition hat sich über ganz Tibet und die Himalaya-Region verbreitet. Die Bedingungen mögen sich ändern, aber wir haben die Gewohnheit, uns gegenseitig warmherzig zu begegnen. Das ist etwas, das es wert ist, bewahrt zu werden.
Tibeterinnen und Tibeter in Tibet wollen weiterhin der von Shantarakshita eingeführten Tradition folgen und schenken mir ihr Vertrauen. Nicht nur in Tibet, sondern auch auf dem chinesischen Festland interessieren sich immer mehr Menschen für den tibetischen Buddhismus und seine Essenz – die Warmherzigkeit. Der tibetische Buddhismus beinhaltet ein gründliches Verständnis der Funktionsweise des Geistes und der Emotionen, was Wissenschaftler interessiert. Andere Menschen wollen mehr über die Schulung des Geistes und den Umgang mit ihren Emotionen erfahren.
Weil ich jeden Tag über den Erleuchtungsgeist und die Leerheit meditiere, habe ich einen ruhigen Geist und schlafe nachts ruhig. Wahrer Frieden ist in unserer inneren Welt zu finden.“
Seine Heiligkeit wies darauf hin, dass die heutigen Unterweisungen insbesondere für Schülerinnen und Schüler aus der Mongolei veranstaltet werden, und er erinnerte daran, dass es seit langem eine besondere Verbundenheit zwischen den tibetischen und den mongolischen Landsleuten gibt. Viele Mongolen wurden in Tibet zu Gelehrten. In seinem eigenen Fall, sagte er, war sein wichtigster Lehrer für Philosophie und Dialektik ein Mongole namens Ngodrup Tsognyi. Er ist nach wie vor sehr dankbar für die Freundlichkeit dieses Lehrers und freut sich, sie bis zu einem gewissen Grad zurückzahlen zu können, indem er andere, insbesondere Mongolinnen und Mongolen, unterrichtet.
Seine Heiligkeit betonte, dass Spiritualität nicht nur eine Frage von Worten ist. Sie erfordert Praxis und die Entwicklung guter innerer Qualitäten. Für buddhistische Mönche und Nonnen reicht es nicht aus, die Roben zu tragen; sie müssen auch studieren, was der Buddha gelehrt hat, und es in sich selbst integrieren.
Seine Heiligkeit sagte: „Meine Dharma-Freunde, es ist gut, sich daran zu erinnern, dass wir dank der Traditionen, die von früheren Meistern weitergegeben wurden, heute studieren und praktizieren können. Die chinesischen Kommunisten haben versucht, den Buddhismus zu zerstören, aber viele andere Menschen in China zeigen ein Interesse am Buddhismus. Wir Tibeterinnen und Tibeter müssen sorgfältig darüber nachdenken, wie wichtig es ist, das, was wir über Buddhas Lehren wissen, mit interessierten Chinesinnen und Chinesen zu teilen.“
Seine Heiligkeit betonte auch die Bedeutung des Erleuchtungsgeistes: „Bodhichitta ist sehr wertvoll. Es bringt Frieden im Geist. Es ist ein kraftvoller Weg, anderen zu dienen. Die beiden Traditionen der Praxis zur Entwicklung von Bodhichitta sind die Methode, die als die Sieben-Punkte-Methode bekannt ist, und die Methode, die in Shantidevas Verhaltensweisen der Bodhisattvas beschrieben wird und als ‚Gleichsetzen und Austauschen von selbst und anderen‘ bekannt ist.
Auf alle fühlenden Wesen Rücksicht zu nehmen und den Geist zu entwickeln, der andere mehr schätzt als sich selbst, ist kraftvoll transformierend. Es bringt Vertrauen und Frieden.“
Er empfahl allen Anwesenden, kurz darüber zu meditieren. Dann wies er darauf hin, dass wir alle einen Geist haben, der sich durch Klarheit und Gewahrsein auszeichnet, und dass es kraftvoll ist, ihn zu nutzen, um anderen zu helfen.
Weiter merkte Seine Heiligkeit an: „Als Menschen wurden wir von unserer Mutter vom ersten Tag unseres Lebens an aufgezogen. Sie hat einen Samen der Güte in uns gepflanzt. Denkt an alle empfindungsfähigen Wesen, insbesondere an die Menschen dieser Welt, und stellt euch vor, dass ihr dieses Gefühl der Güte auf sie alle ausdehnt. Wir können Tempel und Institutionen bauen, um die Lehre zu bewahren, aber letztlich ist es am wichtigsten, den Gedanken zu entwickeln, andere mehr zu schätzen als uns selbst. Auf diese Weise werden wir ein Leben in Harmonie erreichen.
Alle Menschen wünschen sich wie wir, glücklich zu sein. Wir sind alle gleich. Deshalb müssen wir allen gegenüber warmherzig sein. Die Wertschätzung der anderen ist die Quelle aller guten Eigenschaften. Wenn wir nur uns selbst wertschätzen, ist das eine Quelle des Elends. Wir überleben durch die Freundlichkeit der anderen, deshalb sind Freundlichkeit und Herzlichkeit der einfache Schlüssel zum Glück.“
Seine Heiligkeit riet den Anwesenden, über die Unzulänglichkeiten der Selbstliebe und die Vorteile der Liebe zu anderen nachzudenken. Denkt daran, sagte er, wie gut es wäre, wenn alle Menschen glücklich wären. Sich zu wünschen, dass andere glücklich sind, bringt inneren Frieden. Betrachtet andere Wesen als Freunde. Die beste Gabe, die ihr mir geben könntet, sagte er, wäre, den Wunsch zu entwickeln, anderen zu helfen.
Zu den Mongolinnen und Mongolen sprach Seine Heiligkeit mit dem Rat: „Meine mongolischen Dharma-Freunde, bei der Praxis geht es nicht nur um die Gebete, die ihr sprecht, es geht darum, euren Geist zu transformieren und ein gutes Herz zu entwickeln. Das Rezitieren von Mantras ist nicht so effektiv wie die Entwicklung eines guten Herzens. Als ich ein Kind war, sah ich einen Papagei, der ‚Om ma ni pad me hum‘ rezitieren konnte, aber nicht wusste, was es bedeutet. Wir wollen nicht wie dieser Vogel sein. Der wahre Weg, anderen zu helfen, besteht darin, den Erleuchtungsgeist zu erzeugen. Was ihr tun könnt, ist, Avalokiteshvara auf eurem Scheitel zu visualisieren, und während ihr eure Manis rezitiert, seinen Segen zu erbitten, damit ihr ein gutes Herz entwickeln könnt.
Wir Tibeterinnen und Tibeter haben die Angewohnheit, Manis zu rezitieren, wann immer wir können, aber wenn unser Geist dabei auf eifersüchtige Gedanken kommt, dann ist das überhaupt nicht hilfreich.“
Seine Heiligkeit gab die Übertragung der Mantras der drei Langlebens-Gottheiten:
Amitayus — Om amarani jivantaye svaha
Weiße Tara — Om tare tuttare ture mama ayuh punye jnana pushtim kuru svaha
Ushnishavijaya — Om drum svaha om amrita ayu dadai svaha
Darstellungen des Körpers, der Sprache und des Geistes der Erleuchtung in Form einer Statue von Lama Tsongkhapa, eines silbernen Chörten und einer kostbaren Schrift wurden Seiner Heiligkeit vom Lamaiin Gegeen überreicht.
Als ein Dankesmandala dargebracht wurde, richtete Lamaiin Gegeen folgende Bitte an Seine Heiligkeit:
„Die Art der Güte, die dem gläubigen Volk der Mongolei im Allgemeinen und den aufeinanderfolgenden Mitgliedern der Lamaiin-Gegeen-Linie von Euren früheren Inkarnationen und insbesondere von Eurer Heiligkeit selbst, die für uns der Buddha ist, zuteilwurde und die durch die Kraft unserer Gebete zu uns gebracht wurde, ist so groß, dass es schwierig wäre, sie zurückzuzahlen, selbst wenn das gesamte Universum mit den sieben Arten von kostbaren Gegenständen gefüllt und angeboten würde.
Da das Wohlergehen der fühlenden Wesen und der Buddha-Dharma von Eurer Heiligkeit, der Großen Schatzkammer des Mitgefühls, abhängen, und da Ihr für uns, Eure Schülerinnen und Schüler, die wir sonst verlassen wären, unsere tadellose Zuflucht seid, wie die Augen in unseren Brauen und die Herzen in unserer Brust, und da wir in all unseren zukünftigen Leben keine höhere Zuflucht als Euch haben werden, richten wir diese inbrünstige Bitte an Euch:
Möget Ihr uns auch in Zukunft durch Eure unaufhörlichen und aufeinanderfolgenden Emanationen niemals vom Haken Eures Mitgefühls befreien. Dies ist die einzige Bitte, die uns lange im Gedächtnis geblieben ist.
Ihre großen barmherzigen Aktivitäten sind unendlich wie das Wogen der Wellen des Ozeans, und obwohl es schwierig ist, diese Bitte auszusprechen, sprechen wir sie inbrünstig und unbeirrt aus:
So wie ein Stück Stein wie Gold behandelt wird, so habt Ihr uns mit Eurem Mitgefühl überschüttet. Möget Ihr in Euren zukünftigen Inkarnationen weiterhin unsere einzige Zuflucht sein, unser höchstes Feld für die Ansammlung von Verdiensten. Mögen wir niemals von Ihnen getrennt sein, der Sie sich als Mönch manifestieren, der die Roben trägt und die drei Gelübde – Pratimoksha, Bodhisattva und Tantra – aufrechterhält. Möget Ihr, der Allwissende, aus der Sphäre Eurer ursprünglichen Weisheit gütig dafür sorgen, dass wir nicht vom höchsten Avalokiteshvara getrennt werden, sondern von ihm gütig geführt werden.
Von unserer Seite, als Ihre Schülerinnen und Schüler, unter Ihrer unübertroffenen Führung, mit der Unterstützung des Gaden Phodrang, bleiben wir verpflichtet, unsere reine und unerschütterliche Verpflichtung einzuhalten. Wir werden Sie erfreuen, indem wir Ihre Anweisungen gehorsam ausführen. Wir waren bisher aufrichtig, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wir werden uns mit allen Mitteln bemühen, Ihnen zu folgen und Ihnen zu huldigen.
Mögen Sie lange leben, unerschütterlich, wie ein unzerstörbarer Diamant.“
Seine Heiligkeit lächelte zustimmend, und während die Anwesenden das Mig-tse-ma-Gebet rezitierten, verließ er den Tempel, grüßte die zahlreichen Menschen entlang des Weges und kehrte zu seiner Residenz zurück.