Shewatsel, Leh, Ladakh, Indien - Heute morgen flog Seine Heiligkeit der Dalai Lama mit einem Direktflug von Dharamsala nach Leh, Ladakh. Bei seiner Ankunft wurde er von dem ehrwürdigen Thiksey Rinpoche, dem ehrwürdigen Thuksey Rinpoche, dem Leitenden Ratsmitglied in Ladakh, Tashi Gyalson, dem Präsidenten der Buddhistischen Vereinigung Ladakhs, Dawa Tashi, dem Präsidenten der Vereinigung der Tempel in Ladakh, dem ehrwürdigen Dorje Stanzin, Vertreterinnen und Vertretern der muslimischen und christlichen Gemeinschaften, dem Generaldirektor der Polizei in Ladakh, dem stellvertretendem Kommissar von Leh und dem Leiter der Polizeibehörde begrüßt.
Nach einer kurzen Begrüßungszeremonie starteten Seine Heiligkeit und die ihn auf der Reise begleitenden Menschen die neun Kilometer lange Reise nach Shewatsel Phodrang. Freudig strahlende Menschen standen entlang der Straße – Ladakhis, Tibeterinnen und Tibeter und Menschen aus anderen Ländern. Voran fuhren Jeeps mit kostümierten Tänzern und Mönchen mit Instrumenten. An manchen Stellen standen die Menschen in mehreren Reihen entlang der Straße. Sie hielten Blumen, Seidenschals und Weihrauch in den Händen. Andere hielten Regenschirme, um sich vor der die Sonne zu schützen. Viele sangen und tanzten, als Seine Heiligkeit vorbeifuhr. Neben den Buddhistinnen und Buddhisten begrüßten auch Jungen und Mädchen aus muslimischen Schulen Seine Heiligkeit. Viele junge Menschen weinten vor Freude, als sie Seine Heiligkeit sahen.
In Shewatsel Phodrang wurde Seine Heiligkeit von Mönchen und Nonnen begrüßt, die sangen und Hörner, Trommeln und Zimbeln spielten. An der Tür des Palastes trommelten Gruppen traditioneller ladakhischer Trommler.
Als Seine Heiligkeit aus dem Auto stieg, begrüßte ihn Thiksey Rinpoche, der ihn auch zum Thron führte. Die Halle war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Mönche saßen zur Rechten Seiner Heiligkeit und die Laien zu seiner Linken.
Seine Heiligkeit sprach zu den Anwesenden: „Der Buddhismus, den wir in Tibet haben, ist etwas, das wissenschaftlich erklärt werden kann und in Bezug auf die Meditationspraxis praktisch ist. Die buddhistische Tradition Tibets kann also strengen Prüfungen standhalten, so wie Gold durch Brennen, Schneiden und Polieren geprüft wird.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen keine Behauptungen über vergangene oder zukünftige Leben auf und sie sprechen nicht über Befreiung, aber sie erkennen, dass Menschen, die den tibetischen Buddhismus praktizieren, ausgeglichen sind. Ihr Geist wird nicht durch zerstörerische Emotionen gestört. Wenn man den tibetischen Buddhismus unter dem Gesichtspunkt der Befreiung betrachten will, hat man noch einen langen Weg vor sich, aber wenn man ihn gut praktiziert, wird man gelassener sein und anderen auf eine liebevolle, freundliche Weise begegnen.
Ich beobachte den tibetischen Buddhismus in meinem eigenen Leben und habe ihn als sehr nützlich empfunden. Viele meiner Freundinnen und Freunde, darunter auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, erkennen ebenfalls den Wert unserer buddhistischen Traditionen.
Menschen, die nicht wissen, was der Dharma wirklich ist, konzentrieren sich gewöhnlich darauf, Mantras zu rezitieren und Rituale durchzuführen. Das ist nicht die wahre Praxis des Dharma. Die wirkliche Praxis besteht darin, den widerspenstigen Geist zu zähmen. Es geht darum, den Geist so zu transformieren, dass man in der Lage ist, die zerstörerischen Emotionen zu schwächen, um allen fühlenden Wesen zu nützen. Alle Menschen wollen glücklich sein und nicht leiden. Und so ist es wichtig, Mitgefühl für andere zu entwickeln.
Was mich betrifft, so denke ich, sobald ich morgens aufwache, über Bodhichitta und Leerheit nach, was mir wirklich hilft, Anhaftung und Ärger abzuwehren, die ungezähmte Geisteszustände sind.
Es wäre gut, wenn auch ihr alle an den Einflussfaktoren arbeiten könntet, die die zerstörerischen Emotionen von Anhaftung und Ärger unterbinden, indem ihr die einzigartige Lehre des Buddhismus, wie sie in unserer Tradition bewahrt wird, umsetzt. Das ist es, was ich zu tun versuche.
Ich begann in meiner Kindheit mit dem Auswendiglernen und Studieren philosophischer Abhandlungen. Als ich älter wurde und mit allen möglichen Herausforderungen konfrontiert wurde, stellte ich fest, dass das, was ich damals gelernt hatte, einen äußerst praktischen Ansatz zur Bekämpfung der destruktiven Emotionen enthielt. Als ich an den verschiedenen Klosteruniversitäten rund um Lhasa zur Geshe-Prüfung antrat und mit sehr erfahrenen Geshes debattierte, wurde mir klar, wie wirksam logische Beweisführung und Debatte beim Studium des Buddhismus sind.
Entscheidend war für mich, nicht als Tulku auf einem hohen Thron zu sitzen, sondern mit den normalen Mönchen zu debattieren, indem ich mit ihnen zusammen im Debattierhof saß. Auf diese Weise habe ich ihre spirituelle Bildung geteilt. Auf einem hohen Thron zu sitzen und so zu tun, als sei man ein heiliger Lama, ist ein Fehler.
In meinem eigenen Fall blieb ich nicht untätig und unnahbar. Während meiner Prüfungen setzte ich mich manchmal hin und beantwortete Fragen, die mir gestellt wurden, stellte aber auch selbst Fragen. Ich fand die Debatte sehr zielführend für mein Studium. Sie hat meinen Verstand geschärft und mich dazu gebracht, die Realität richtig zu erkennen.
Ich hatte acht Debattier-Assistenten, von denen einige hervorragende Gelehrte waren, die ich nur schwer besiegen konnte. Wenn ich mich nicht gut vorbereitet und die Themen durchdacht hatte, bevor ich mit ihnen debattierte, war es sehr schwierig, geeignete Fragen zu finden, um ihre Position in der Debatte zu widerlegen. Den Debattier-Assistenten des Klosters Deyang konnte ich jedoch übertrumpfen.
Die anderen Debattier-Assistenten aus Losel Ling, Gomang und Sera waren eine Herausforderung in der Debatte, und ich musste wirklich gut vorbereitet sein, wenn ich mit ihnen debattierte. In der Tat waren Sera und Drepung für ihre Debattierfähigkeiten bekannt, während die Mönche aus Ganden weniger zahlreich waren und den Spitznamen ‚Renunciant Hill Retreatants‘ trugen. Die Gelehrten aus Sera und Drepung waren hervorragend und zeigten, wie wichtig die Debatte für unser Studium der buddhistischen Philosophie ist.
Im Trans-Himalaya-Gürtel hat man natürlich den Glauben und das Interesse an der tibetisch-buddhistischen Tradition. Aber es ist auch wichtig, dass man die Lehre durch Debatten studiert, die sich auf die Abhandlung über Logik und Erkenntnistheorie, die Natur des Wissens, stützen, damit man falsche Vorstellungen ausräumen kann. Das habe ich getan, als ich jung war.
Wir haben die tibetische Tradition, sowohl den mittleren Weg (Madhyamaka) als auch die Logik (Pramana) gemeinsam zu studieren. Dies ist ein einzigartiger, nützlicher Ansatz, der aus der Nalanda-Tradition stammt. Ich habe mich mit ganzem Herzen auf das Studium dieser beiden Dinge eingelassen.
Ich weiß, dass ihr Menschen im Trans-Himalaya-Gürtel bereits gut etablierte Studieneinrichtungen habt, aber es gibt immer Raum für Verbesserungen. Ich empfehle euch, von euren Lehrern etwas über den mittleren Weg und die Logik zu lernen und das Gelernte dann in der Debatte miteinander anzuwenden.“
Seine Heiligkeit erwähnte die Zerstörung, die die chinesischen Behörden den Traditionen des Studiums der großen Abhandlungen in Tibet zugefügt haben. Er betonte, wie wichtig es ist, dass Gelehrte aus der Himalaya-Region daran arbeiten, diese Studientraditionen am Leben zu erhalten. Er erinnerte daran, wie das Chaos in Tibet im Jahr 1959 dazu führte, dass er nicht bleiben konnte und fliehen musste. Seitdem, so sagte er, hat die indische Regierung die Tibeterinnen und Tibeter in hohem Maße unterstützt und ihnen große Hilfe geleistet. Er erinnerte daran, wie große Studientraditionen, die in Tibet nicht fortgeführt werden konnten, in den Studienzentren in Indien wiederbelebt wurden.
„Die wertvollen Traditionen, die wir lernen und im täglichen Leben anwenden können“, fuhr er fort, „sind in Tibet untergegangen. Diejenigen, die nach Indien geflohen sind, haben die Verantwortung, diese Traditionen zu bewahren. In Tibet wurden viele von ihnen von den Chinesen hart behandelt, deshalb müssen wir hier in der Freiheit Indiens alles tun, um diese wertvollen Traditionen zu bewahren.
In der Vergangenheit hatten wir große Praktizierende, die sich mit diesen Traditionen vertraut gemacht haben. Das ist jetzt in Tibet sehr schwierig, und deshalb ist es so wichtig, dass ihr Menschen des Trans-Himalaya-Gürtels diese Traditionen aufrechterhaltet.
Als ich jung war, studierte ich intensiv und bereiste die klösterlichen Studienzentren, um während des Großen Gebetsfestes (Mönlam Chenmo) mit den dortigen Gelehrten zu debattieren. Viele Geshes waren sehr daran interessiert, mit mir zu debattieren, und ich bin dankbar, dass ich mit ihnen debattieren konnte. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was ich während meiner Debattentour in Lhasa gelernt habe, habe ich das Gefühl, dass mein Leben sinnvoll war.
In der Nacht, in der ich Norbulingka 1959 verließ, stellte ich viele Nachforschungen an, einschließlich der Konsultation des Nechung-Orakels und der Durchführung von Wahrsagungen. Ich beschloss zu gehen. Wir überquerten den Fluss, der durch Lhasa fließt, und erklommen den Pass. Von dort blickte ich zurück auf die Stadt, in der die chinesischen Behörden so strenge Kontrollen eingeführt hatten, dass die Bürgerinnen und Bürger unter großem Druck und Stress standen. Ich war traurig, dass Lhasa, das früher ein großartiger Ort war, um zu studieren und aus den großen Abhandlungen zu lernen, nun nicht mehr existiert.
Aber es ist sinnlos, traurig zu sein. Stattdessen müssen wir etwas tun. Als ich die tibetische Grenze zu Indien erreichte, beschloss ich, meine ganze Kraft in den Aufbau von Institutionen zu stecken, die das bewahren, was wir früher hatten. Das ist uns ganz gut gelungen.
In China ist die politische Lage nicht stabil, aber das Interesse am Buddhismus wächst. Ich habe viele Einladungen erhalten, China zu besuchen, aber ich denke, es wäre schwierig, in einem Land ohne Freiheit über den Buddhismus zu lehren – ich denke, es ist effektiver, in Indien über den Buddhismus zu lehren.
Ihr Menschen aus der Himalaya-Region habt eine gemeinsame Religion und Kultur mit uns, insbesondere unsere Sprache und Schriften. Ich habe alles getan, was ich konnte, um die Bande zwischen uns wiederzubeleben und zu stärken.“
Mit diesen Worten zog sich Seine Heiligkeit für den Rest des Tages in sein Quartier zurück.